Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
wirklich nicht gebraucht«, warf Helden ein. »Ihr wart beide durchaus imstande, euch miteinander bekannt zu machen. Ich gehe jetzt.«
»Das brauchst du nicht«, sagte Tennyson. »Was wir einander zu sagen haben, betrifft, glaube ich, dich.«
»Da bin ich nicht so sicher. Im Augenblick jedenfalls nicht. Außerdem habe ich etwas zu erledigen«, antwortete Helden. Sie ging auf den Vorraum zu. »Ich glaube, es ist schrecklich wichtig — für eine ganze Menge Leute -, daß ihr einander
vertraut. Hoffentlich könnt ihr das.« Sie öffnete die Tür und ging hinaus.
Ein paar Augenblicke lang sprach keiner der beiden Männer; jeder blickte auf die Stelle, wo Helden gerade noch gestanden hatte.
»Sie ist etwas ganz Besonderes«, sagte Tennyson. »Ich liebe sie sehr.«
Noel drehte den Kopf herum. »Ich auch.«
Tennyson nahm den Blick und die Worte zur Kenntnis. »Hoffentlich bedeutet das für Sie keine Komplikation.«
»Nein, das nicht, aber für sie ist es vielleicht eine.«
»Ich verstehe.« Tennyson ging ans Fenster und blickte hinaus. »Ich sehe mich nicht in der Lage, Ihnen meinen Segen zu geben — Helden und ich leben jeder sein eigenes Leben -, und selbst wenn ich es könnte, bin ich nicht sicher, daß ich es tun würde.«
»Danke für Ihre Offenheit.«
Der blonde Mann wandte sich ihm zu. »Ja, ich bin offen. Ich kenne Sie nicht. Ich weiß nur, was Helden mir über Sie gesagt hat und was ich selbst erfahren habe. Was sie mir sagt, ist im Grunde das, was Sie ihr gesagt haben, natürlich durch ihre Gefühle gefärbt. Was ich erfahren habe, ist nicht so eindeutig. Es paßt auch nicht ganz zu dem ziemlich enthusiastischen Bild, das sich meine Schwester von Ihnen gemacht hat.«
»Wir haben beide Fragen. Wollen Sie anfangen?«
»Das ist eigentlich nicht so wichtig, oder? Ich habe nur sehr wenige Fragen, und die sind sehr direkt.« Plötzlich klang Tennysons Stimme fast unfreundlich. »Was hatten Sie mit Maurice Graff zu schaffen?«
»Ich dachte, das hätte Helden Ihnen gesagt.«
»Ja, aber eben das, was Sie ihr gesagt haben. Jetzt sagen Sie es mir. Ich bin ein wenig erfahrener als meine Schwester. Ich akzeptiere Dinge nicht einfach deshalb, weil Sie sie sagen. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, so etwas nicht zu tun. Weshalb haben Sie Graff aufgesucht?«
»Ich habe Sie gesucht.«
»Mich?«
»Nicht speziell Sie. Die von Tiebolts. Informationen über irgendeinen von Ihnen.«
»Weshalb Graff?«
»Man hatte mir seinen Namen genannt. «
»Wer?«
»Ich erinnere mich nicht...«
»Sie erinnern sich nicht ...? Unter den Tausenden und Abertausenden Namen in Rio de Janeiro ist es zufälligerweise der von Maurice Graff, den man Ihnen nebenbei nennt.«
»Aber so war es.«
»Das ist lächerlich.«
»Augenblick.« Noel versuchte, die Folge von Ereignissen zu rekonstruieren, die ihn zu Graff geführt hatte. »Es fing in New York an...«
»Was fing an? Graff war in New York?«
»Nein, das Konsulat. Ich war auf dem brasilianischen Konsulat und habe dort mit einem Attaché gesprochen. Ich wollte herausfinden, wie ich es anstellen müßte, eine Familie ausfindig zu machen, die in den vierziger Jahren nach Brasilien eingewandert war. Der Attaché zog aus dem, was ich sagte, den Schluß, daß ich Deutsche suchte. Er hielt mir einen Vortrag über... nun, es gibt dafür einen spanischen Ausdruck. La otra cara de los alemanes. Das heißt, die andere Seite der Deutschen; was hinter ihnen steckt.«
»Das ist mir klar. Weiter.«
»Er sagte mir, daß es eine starke, eng miteinander verbundene deutsche Kolonie in Rio gebe, die von ein paar mächtigen Männern geführt werde. Er warnte mich davor, nach einer verschwundenen deutschen Familie zu suchen; er sagte, das könne gefährlich sein. Vielleicht hat er übertrieben, weil ich ihm Ihren Namen nicht nennen wollte.«
»Gott sei Dank haben Sie das nicht getan.«
»Als ich nach Rio kam, konnte ich nichts herausfinden. Selbst die Einwanderungsakten waren geändert worden.«
»Was eine ganze Menge Leute viel gekostet hat«, sagte Tennyson bitter. »Das war unser einziger Schutz.«
»Ich kam nicht weiter. Dann erinnerte ich mich daran, daß der Attaché gesagt hatte, die deutsche Kolonie werde von ein paar mächtigen Männern geleitet. Ich suchte eine deutsche Buchhandlung auf und erkundigte mich bei einem Angestellten nach bestimmten Häusern. Nach großen Villen mit viel
Land. Ich nannte sie >bayrisch<, aber er wußte, was ich meinte. Ich bin Architekt und dachte mir
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