Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
diese Liste niemals in einen Safe legen; ebensowenig würde er sie bei sich tragen. Sie wird in seinem Hotelzimmer sein, und das Zimmer wird von Fallen wimmeln. Und er würde es nur unter den schlimmsten Voraussetzungen verlassen.«
»Und wir sind uns darüber einig, daß ich diese schlimmste Voraussetzung bin?«
»Ja. Er fürchtet Sie, wie sonst niemanden auf der Welt, denn es gibt sonst niemanden, der Ihren Sohn davon überzeugen könnte, Genf aufzugeben. Die brauchen ihn; die haben ihn immer gebraucht. Die Gesetze müssen erfüllt werden, damit die Mittel freigegeben werden können. Es gab nie einen anderen Weg.«
»Welche Ironie doch darin liegt. Das Gesetz wird dazu benutzt, um die größte Gesetzlosigkeit zu begehen, die man sich vorstellen kann.«
»Das ist keine neue Erkenntnis, Mrs. Holcroft.«
»Und was ist mit meinem Sohn? Werden Sie ihn töten?«
»Das will ich nicht.«
»Ich würde gerne etwas Konkreteres hören.«
»Es wird keinen Anlaß dazu geben, wenn er zu uns kommt. Wenn man ihn von der Wahrheit überzeugen kann, und davon, daß er nicht übertölpelt werden soll, gibt es guten Grund, ihn am Leben zu halten. Auch wenn das Geld nicht kommt, wird Wolfsschanze noch nicht am Ende sein. Überall dort draußen sind die Sonnenkinder . Sie werden gelähmt sein, aber nicht entlarvt. Und auch nicht vernichtet. Wir werden jede Stimme brauchen können, die sich gegen sie erheben kann. Ihr Sohn wird eine höchst wichtige Geschichte zu erzählen haben. Gemeinsam werden wir an die richtigen Leute herantreten.«
»Wie werden Sie ihn denn überzeugen... wenn ich von der Zusammenkunft mit von Tiebolt nicht zurückkomme?«
Der Israeli sah die Andeutung eines Lächelns auf Althenes Lippen und begriff die Pause in ihrer Frage. Seine Voraussetzung war klar gewesen: sie würde nicht zurückkommen.
»So wie die Kontaktperson in Neuchâtel und ich es sehen,
haben wir heute und morgen zur Verfügung; die Aktion in La Grande Banque beginnt ohne Zweifel Montag. Sie werden ihn isoliert halten, an einem Ort, wo man ihn nicht erreichen kann. Meine Aufgabe ist es, diese Isolierung zu durchbrechen, ihn wegzuholen.«
»Und wenn Sie das tun, was werden Sie ihm sagen?«
»Ich werde ihm die Wahrheit sagen, ihm alles erklären, was wir in Har Sha’alav erfahren haben. Helden könnte da äußerst hilfreich sein — wenn sie noch lebt, um es offen zu sagen. Und dann ist da die Liste. Wenn ich sie finde, werde ich sie ihm zeigen.«
»Zeigen Sie ihm diesen Brief«, unterbrach Althene und wandte sich wieder dem Papier auf dem Schreibtisch zu.
»Der wäre auch hilfreich«, sagte der Israeli.
»Erich!«
Kessler fuhr herum, sein korpulenter Körper wirkte starr. Er ließ den Hörer sinken, aber Holcroft hinderte ihn daran.
»Halt! Mit wem sprechen Sie?« Noel packte den Hörer, sprach hinein. »Wer ist da?«
Schweigen.
»Wer ist da?«
»Bitte«, sagte Kessler, der sich langsam wieder in die Gewalt bekam. »Wir versuchen, Sie zu schützen . Man darf Sie nicht auf der Straße sehen; das wissen Sie. Die würden Sie töten. Sie sind der wichtigste Schlüssel zu Genf.«
»Sie haben nicht über mich gesprochen!«
»Wir versuchen, Ihre Mutter zu finden! Sie haben gesagt, daß sie mit falschem Paß reist, aus Lissabon kommt. Das war uns nicht bewußt. Johann kennt Leute, die solche Papiere liefern; darüber haben wir jetzt gesprochen.«
Wieder sprach Holcroft ins Telefon.
»Von Tiebolt? Sind Sie das?«
»Ja, Noel«, kam ruhig die Antwort. »Erich hat recht. Ich habe hier Freunde, die versuchen, uns zu helfen. Ihre Mutter könnte in Gefahr sein. Aber Sie dürfen mit der Suche nichts zu tun haben. Sie müssen unsichtbar bleiben.«
»>Dürfen« Holcroft sprach das Wort mit scharfer Stimme aus. »>Müssen?< Wir wollen einmal etwas klarstellen — für Sie
alle beide.« Noel sprach ins Telefon, sah dabei aber Kessler an. »Ich entscheide, was ich tue und was ich nicht tue. Ist das klar?«
Der Gelehrte nickte. Von Tiebolt sagte nichts. Holcroft hob die Stimme. »Ich habe gefragt, ob das klar ist.«
»Ja, natürlich«, sagte Johann schließlich. »Erich hat Ihnen ja schon gesagt, daß wir nur helfen wollen. Die Information, daß Ihre Mutter unter falschem Namen reist, könnte hilfreich sein. Ich kenne Leute, die mit solchen Dingen zu tun haben. Ich werde einige von ihnen anrufen und Sie auf dem laufenden halten.«
»Bitte.«
»Wenn wir uns vor morgen früh nicht sehen, treffen wir uns in der Bank. Ich nehme an, Erich hat
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