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Der Horizont: Roman (German Edition)

Der Horizont: Roman (German Edition)

Titel: Der Horizont: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Modiano
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an ihren freien Tagen. Kannten ihre Kollegen die Adresse? Nein, natürlich nicht. Als sie gefragt hatten, wo sie wohne, hatte sie ihnen etwas von einem Studentinnenwohnheim erzählt. Außerhalb der Bürozeit pflegte sie keinen Umgang mit ihnen. Sie pflegte mit niemandem Umgang. An einem Samstagabend, als sie zu zweit in Auteuil, in der Bar von Jacques dem Algerier saßen, an einem Tisch ganz hinten, vor dem bunt leuchtenden Glaspaneel, hatte er zu ihr gesagt:
    »Wenn ich das richtig sehe, versteckst du dich und wohnst hier unter einem falschen Namen …«
    Sie hatte gelächelt, aber mit einem gezwungenen Lächeln. Offenbar schätzte sie diese Art von Humor nicht besonders. Auf dem Rückweg, an der Ecke Rue des Perchamps, war sie stehengeblieben, als habe sie beschlossen, ihm ein Geständnis zu machen. Oder fürchtete sie, jemand könnte dort auf sie warten, vor ihrem Hauseingang?
    »Da ist ein Typ, der mich seit ein paar Monaten sucht …«
    Bosmans hatte gefragt, wer dieser Typ sei. Sie hatte die Schultern gezuckt. Vielleicht bereute sie schon, ihm das anvertraut zu haben.
    »Ein Typ, den ich früher gekannt habe …«
    »Und du hast Angst vor ihm?«
    »Ja.«
    Jetzt wirkte sie erleichtert. Sie stand reglos da und betrachtete Bosmans aus ihren hellen Augen.
    »Kennt er deine Adresse?«
    »Nein.«
    Dieser Typ wusste auch nicht, wo sie arbeitete. Bosmans versuchte sie zu beruhigen. Paris ist groß. Unmöglich, jemanden wiederzufinden im Gewühl der Stoßzeit. Sie fielen nicht auf in der Menge, sie beide. Sie waren völlig anonym. Wie sollte man eine Margaret Le Coz aufspüren? Einen Jean Bosmans? Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt, sie gingen die Rue des Perchamps entlang. Es war finster, und sie bemühten sich, auf den Eiskrusten nicht auszurutschen. Stille um sie herum. Bosmans hörte eine Kirchenglocke. Er zählte die Schläge laut mit und drückte sie fester an sich. Elf Uhr abends. Um diese Zeit hatte in diesem Viertel nur noch die Bar von Jacques dem Algerier, Rue Poussin, geöffnet. Bosmans fühlte sich sehr weit weg von Paris.
    »Es gibt keinen Grund, dass dich jemand hier aufspürt.«
    »Glaubst du?«
    Sie schaute mit besorgter Miene geradeaus, auf den Eingang des Gebäudes. Niemand. An anderen Abenden dachte sie nicht daran. An anderen Tagen bat sie ihn, sie ganz verlässlich von der Arbeit abzuholen. Sie hatte Angst, der »Typ« habe ihre Spur wiedergefunden. Er hätte gern mehr über die Sache erfahren, doch sie zögerte, ihm Genaueres mitzuteilen. Und in unbekümmerten Augenblicken hoffte Bosmans, sie werde irgendwann alles vergessen.
    An einem Samstagabend kamen sie aus einem Kino in Auteuil. Sie hatte ihm gesagt, sie glaube, ein Mann folge ihnen. Er hatte sich umgedreht, doch sie hatte seinen Arm gepackt und zog ihn fort, weil sie schneller gehen wollte. Tatsächlich schlenderte etwa zwanzig Meter hinter ihnen ein Mann, eine Gestalt mittlerer Größe in einem Fischgrätmantel.
    »Sollen wir auf ihn warten?« fragte Bosmans vergnügt.
    Sie hielt krampfhaft seinen Arm fest und zog ihn weiter. Doch er rührte sich nicht von der Stelle. Der andere kam näher. Er ging vorüber, ohne ihnen die geringste Beachtung zu schenken. Nein, zum Glück war es nicht der Mann, den sie gefürchtet hatte.
    Zurück in ihrem Zimmer in der Rue des Perchamps, hatte er in scherzhaftem Ton gesagt:
    »Also, dieser Typ … ich würde doch zu gern wissen, wie er aussieht … damit ich ihn auf der Straße erkenne …«
    Ein Dunkelhaariger, um die Dreißig, ziemlich groß, hageres Gesicht. Alles in allem äußerte sich Margaret bei dieser Beschreibung nur vage. Doch er fragte weiter. Nein, der Mann wohne nicht in Paris. Sie habe ihn in der Provinz kennengelernt oder in der Schweiz, sie erinnere sich nicht mehr allzugut. Eine unangenehme Begegnung. Und was für einen Beruf hatte er? Das wisse sie nicht so genau, eine Art Handlungsreisender, immer unterwegs in den Hotels der Provinz und manchmal auch in Paris. Sie wurde immer ausweichender, und Bosmans erriet, dass sie, um ihre Angst zu bekämpfen, diesen Kerl in Nebel hüllte, zwischen sich und ihm eine Art Mattglasscheibe hochzog.
    In jener Nacht, in dem Zimmer, sagte er ihr, das alles sei vollkommen unwichtig. Sie müsse diesen Kerl einfach ignorieren, und wenn er eines Tages auftauche, solle sie vorbeigehen und ihn keines Blickes würdigen. Übrigens sei sie nicht die einzige, die irgendwem ausweichen wolle. Auch er könne nicht völlig angstlos durch bestimmte

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