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Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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Milch, die darin drei-
    mal am Tag ins Hotel befördert wurde. Um Hassan Ibn Balis Hand-
    gelenke schnappten die Handschellen. Kein einziger seiner Kol egen oder Gefährten protestierte. Sie sahen alle so aus, als seien sie heil-11
    froh, daß man nicht sie abführte.
    »Ich stelle morgen eine Kaution für Hassan«, sagte Westmann, als
    wir wieder in seinem Büro waren. »Hassan ist ein anständiger Kerl.«
    »Ja, und die anderen sind es auch, nur – sie sind da unten ein-
    gesperrt wie Ratten.«
    »Glauben Sie, ich habe noch nicht dagegen protestiert?«
    »Natürlich haben Sie das.« Ich war fest davon überzeugt.
    »Aber das war der zweite Mord innerhalb von einem Monat un-
    ter den Angestel ten, und beide Ermordeten haben auf der sechsten
    Etage gearbeitet«, sagte ich. »Ich glaube, wir müssen uns mal die
    kleinen Hascher vorknöpfen.«
    Westmann sah mich stumm an.
    Wir fuhren hinauf, in den Luxus, der den Gästen vorbehalten war;
    es war inzwischen drei Uhr in der Früh. Westmann ließ uns mit
    dem Paßschlüssel zuerst in Zimmer 601 ein, es war leer. Dafür sah
    es in 602 wie nach einer Orgie aus, es roch betäubend nach Ha-
    schisch. Die Luft war blau davon. Auf dem breiten Doppelbett und
    auf dem Boden des Zimmers lagen die beiden Geschwisterpaare
    und Jasmin – sie waren alle ausgenippt.
    Wir gingen, wie wir gekommen waren, fuhren wieder hinunter.
    Westmann bot mir in seinem Büro einen Whisky an. Das tat er
    selten. Aber wir konnten ihn beide brauchen.
    Wir redeten lange hin und her. Westmann wollte sich am nächs-
    ten Morgen die jungen Nichtstuer vornehmen. Er kannte sie seit
    langem; sie kamen oft übers Wochenende von Paris oder Rom oder
    Athen hierher, mit Billigung ihrer Eltern, die sich sorglos ihren eigenen Vergnügungen widmeten.
    Schließlich ging Westmann nach Hause. Er wohnte nicht weit
    vom Hotel in einer weißen Stuckvilla mit seiner Frau und zwei Kin-
    dern, die bestimmt kein Rauschgift schluckten.
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    Ich ging hinunter in die Küche, wo die Vorbereitungen fürs Früh-
    stück schon auf vollen Touren liefen.
    Milch und Kakao zischten und brodelten in riesigen Kupferkes-
    seln, in einem anderen warf Porridge Blasen. Auf der Fleischerbank wurden Steaks geschnitten und Innereien gehackt. Jeden Morgen
    konnte man im elfenbeinfarbenen Frühstücksraum, auch das Schwa-
    nenzimmer genannt, zwischen kontinentalem, englischem und ame-
    rikanischem Frühstück wählen. Und wer Lust auf die scharfgewürz-
    ten Spezialitäten verspürte, um seines Katers Herr zu werden, be-
    kam auch diese serviert.
    Bil y, der Chefkoch, war ein Schweizer, ein rosiger Marzipanturm
    von einem Mann.
    »Das war eine heiße Nacht, was?« Er wußte schon alles. Wenn er
    lachte, konnte man seine Augen nicht sehen.
    Er stel te das Radio in der Nische am Fenster an, von wo aus man
    den Lieferanteneingang beobachten konnte. Einer der unermüd-
    lichen Beiruter Sender strahlte Tanzmusik aus; Marlene Dietrich
    sang »Sag mir, wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben …?«
    Es war wie ein Stichwort.
    Draußen hielt ein grüner Lieferwagen. Ein junger Mann sprang
    heraus, blond, blauäugig, in engen Jeans. Komische Schultern hatte er, die eine höher, die andere tiefer. Als er uns den Rücken zu-wandte, um die Hintertür des Wagens zu öffnen, sah ich, daß sein
    Rücken verkrüppelt war.
    Er entlud die Blumenpracht. Unsere Gäste liebten Maiglöckchen
    im Winter und Orchideen mit einfachen Wiesenblumen garniert. Er
    trug die Gestecke nach nebenan in den Kühlraum.
    »Kennst du ihn?« fragte ich Billy.
    »Und ob. Prima Kerl, der Max. Stinkreiche Eltern, aber ihn ha-
    ben sie verstoßen, 'nen Krüppel kann man in 'ner stinkfeinen Fa-
    milie nicht gebrauchen.«
    Max kam herein, verbreitete strahlende Fröhlichkeit um sich. Bil y 13
    nahm ihn an seine breite Brust wie ein Kind.
    Der Junge kriegte ein Riesenglas Milch und ein Riesensteak, das
    mir, obwohl ich dank Billys Fürsorge mein Frühstück schon intus
    hatte, das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
    Als Max weg war, schaute ich mir die Blumen an. Traumschöne
    Gestecke aus der ersten Gärtnerei der Stadt, die einem Franzosen
    von der Riviera gehörte.
    Auf Anhieb war nichts als die Schönheit der Blüten zu bemerken,
    aber dann entdeckte ich im weichen dunklen Humus von zwei Ge-
    stecken winzige grüne Plastikscheiben.
    Haram, für die Blumen im Hause verantwortlich, stand plötzlich
    lautlos neben mir. Er war aschgrau im Gesicht, kriegte zuerst kei-
    nen Ton

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