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Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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telefoniere nach dem Arzt.«
    Sie hörte mich nicht und sah mich auch nicht.
    Ich breitete eines der flauschigen rosa Badetücher über sie. Es war mir nicht recht, sie allein zu lassen; man weiß ja nie, was jemand anstellt, der high vom Rauschgift ist.
    Aber so lächerlich es klingt, und ich hielt es für orientalische
    Schlamperei, in dieser feudalen Umkleidekabine unseres Sechs-Ster-
    ne-Hotels gab es kein Telefon. Nur draußen im Flur, und zwar um
    die Ecke beim Aufzug, von wo aus ich das Mädchen nicht im Auge
    behalten konnte. Ich mußte den Arzt rufen, und dann nichts wie
    rauf mit Jasmin in ihr Zimmer – halt, sie wohnte ja gar nicht bei
    uns.
    Trotzdem, ich rief unseren Arzt an. Er wohnte im Hotel. Er ant-
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    wortete verschlafen: »Können Sie nicht lauter reden, Jörg?«
    »Nein.« Ich hielt die Hand über die Muschel. »Kommen Sie rasch
    runter, Doktor. VIP. High, liegt in der Damenumkleide.«
    »Was für ein Weib?« dröhnte er ins Telefon.
    »Ein Mädchen, Doktor«, sagte ich geduldig.
    »Hören Sie, Jörg Helm, seitdem Sie hier sind, passiert ständig et-
    was. Können Sie einen armen alten Mann keine Nacht in Ruhe
    schlafen lassen?«
    Ich legte einfach den Hörer auf.
    Er würde schon kommen, und zwar sofort. Erstens war er kein
    alter Mann, wir hatten gerade erst seinen fünfzigsten Geburtstag ge-feiert, und zweitens war er vor allem Arzt.
    Als ich zur Umkleide zurückkehrte, merkte ich, daß ich immer
    noch nichts weiter als meine Badehose trug. Ich ging also hinaus
    und klaubte meinen Bademantel auf, wo ich ihn neben dem Pool
    hatte fallen lassen.
    Selbstverständlich gehört es sich im Red Rock nicht, daß irgend jemand vom Hotelpersonal ungenügend bekleidet angetroffen wird –
    und schon gar nicht in Anwesenheit eines weiblichen Gastes.
    Aber als ich die Umkleide wieder betrat, war das Mädchen ver-
    schwunden. Bloß der nasse Abdruck ihres Körpers auf dem Ruhe-
    bett war noch zu sehen.
    »Hab' ich mir doch gedacht«, sagte Dr. Köhler, »falscher Alarm,
    was?« Er hatte nicht mal zehn Minuten gebraucht, um herunterzu-
    kommen, was allerdings auch wiederum nicht ungewöhnlich ist,
    denn wir haben im Red Rock natürlich ein vorzüglich funktionieren-des Aufzugssystem.
    Dr. Köhler trug einen tadellosen dunkelgrauen Mohairanzug; er
    mußte mindestens ein Dutzend davon besitzen. Sie unterschieden
    sich, wenn man einen Blick dafür hatte, nur durch kleine, von sei-
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    nem Maßschneider ausgeklügelte Extravaganzen. Sein Hemd war
    blütenweiß, gestärkt, er trug eine englische Klubkrawatte; auch davon gab es ein Dutzend, die ihm ehrenhalber von Gästen verliehen
    worden waren.
    Seine blauen Hanseatenaugen musterten mich mit geübter Ver-
    achtung. »Ein Mädchen, wie? Wo denn, bitte schön?«
    »Sie war eben noch hier, ich habe sie nur allein gelassen, um Sie
    anzurufen. Da, sehen Sie selbst.« Ich wies auf den nassen Körperabdruck. »Jasmin d'Oro war high im höchsten Grade. Ich nehme an,
    gespritzt.«
    »Sie schnüffeln wohl überall Rauschgift, wie?«
    »Nur, wenn es sein muß.«
    »Dann kann ich ja wohl wieder gehen. Sie haben mich in der So-
    nate a-Moll gestört.«
    Er drehte sich auf dem Absatz seiner natürlich handgenähten
    Schuhe um und verschwand.
    Ich erfuhr nie, welche Sonate a-Moll er gemeint hatte; er hielt
    mich ohnehin für einen Banausen.
    Da stand ich also und hatte nichts vorzuweisen als den nassen
    Körperabdruck eines halb verhungerten und gewiß rauschgiftsüch-
    tigen Mädchens der High-Society.
    In ihrem Zustand konnte sie allein nicht verschwunden sein. Es
    war einfach unmöglich. Aber ich fand keine Spur, daß man sie weg-
    geschleppt hatte.
    Mit dem ›Dienstbotenlift‹ fuhr ich hinauf in die zweite Etage, in der die Angestel ten wohnen, falls sie es nicht vorziehen, verheiratet zu sein oder ein sündhaft teures Apartment in der Stadt zu mieten.
    Der Architekt des Hotels hatte sich, um die sozialen Unterschie-
    de zwischen Gästen und Angestellten zu unterstreichen, genau das
    Richtige einfallen lassen: Unsere Zimmer hatten Blick auf die Stadt, 5
    nicht aufs Meer, und er hatte die Klimaanlage vergessen, wir muß-
    ten uns mit Ventilatoren, die wie träge Spinnen unter der Decken
    hingen, zufriedengeben.
    Die angestaute Schwüle in meinem Zimmer schlug mir atembe-
    klemmend entgegen.
    Dennoch sah Jinny so kühl und frisch aus, als sei sie gerade unter der Dusche gewesen.
    »Da bist du ja«, sagte sie, und ihr Mund kräuselte sich in dem
    Lächeln, von dem ich nie

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