Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
für ihn zählten nur eine Demonstration von Macht und dicke Säcke voll Geld. Mit beidem konnte Wittiges nicht dienen.
All das ging ihm durch den Kopf, bewegte ihn aber nicht mehr im gleichen Maß wie zuvor. Brunichilds Undank war ihm mittlerweile gleichgültig. Wichtiger war ihm der Wunsch, die Frau mitzunehmen, die ihn in der Hütte für den Rest der Nacht erwartete. Konnte er sie als Geschenk von Baian erbitten? Unbehagen streifte ihn beim Gedanken an seine Frau. Er liebte sie, und auch jetzt dachte er nur voller Liebe an sie. Dennoch vermochte er sich die Awarin nicht aus dem Kopf zu schlagen. Es war auch bei den Franken durchaus üblich, sich mehr als ein Weib zu nehmen. Schon wegen der Kinder, von denen viele in den ersten Lebensjahren starben.
Ein Mann braucht Söhne, hatte Baian gesagt.
Nicht weit von der Hütte brannte ein Wachtfeuer. Er entdeckte zwei seiner fränkischen Krieger, die zusammengesunken an dem nur noch schwach glimmenden Feuer kauerten und fest schliefen. Morgen würde er sie zurechtstauchen, denn es war gefährlich, Disziplinlosigkeit zu dulden.
Bevor er sich in seinen Teil der Hütte zurückzog, lugte er zu Venantius hinein. Der Gelehrte schlief den Schlaf der Gerechten. Als Wittiges schließlich sein eigenes Lager wieder aufsuchte, erwartete ihn die Awarin, deren Namen er noch immer nicht kannte. Sogleich schlang sie die Arme um ihn und zog ihn zu sich hinunter.
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Jedes Mal, wenn wieder ein Zug von Priestern, Mönchen und Kriegern seinen Einzug hielt, stand das Volk von Paris am Straßenrand und gaffte. Die Leute machten sich gegenseitig auf die Sänfte oder den Reisekarren aufmerksam, der für gewöhnlich die Mitte eines solchen Zuges bildete. Etliche sanken auf die Knie und bekreuzigten sich, während andere ehrfürchtig Namen murmelten, die dann von Mund zu Mund weitergetragen wurden: Maroveus von Poitiers, Avitus von Clermont, Felix von Nantes, Bertram von Le Mans, Praetextatus von Rouen, Gregor von Tours.
Ragnemod, Bischof von Paris, zog von einem seiner Landgüter, das er vor der Stadt besaß, in vollem Ornat und hoch zu Ross zu seinem Stadtpalast. In seinem Gefolge befand sich sein Archidiakon Aetius, nach ihm der wichtigste Mann in der Diözese, der die Verwaltungsgeschäfte für ihn führte. Ihn kannten die Pariser als unermüdlichen Blutsauger, der selbst den Todkranken noch Spenden abpresste.
Seit Tagen blieb abends in den Schänken kein Platz mehr auf den Bänken unbesetzt, und jede Nacht fanden Raufhändel statt, die zwischen den Gefolgsleuten der Bischöfe ausgetragen wurden. Es fiel schwer, alle diese Tonsurträger, die so wacker mit Schwert und Scramasax umzugehen verstanden, eindeutig der einen oder anderen Partei zuzuordnen. Nur in den Vierteln der syrischen, griechischen und jüdischen Fernhändler blieb es ruhig.
In unmittelbarer Umgebung der Kirche des Apostels Petrus, in der die Synode tagen würde, hatte König Chilperich alle Häuser räumen lassen. Sie standen nun den Gästen zur Verfügung, die weder im Pilgerhaus der Kirche noch in der Bischofsresidenz oder in einem der Klöster untergebracht werden konnten.
Zwar würde die Synode als reine Gerichtsversammlung tagen, dennoch hatten die Fernhändler für die Kirche seidene, golddurchwirkte Behänge, teure Kerzen und silberne Ampeln, in denen Weihrauch verbrannt werden sollte, gestiftet, sowie den besten ägyptischen Wein für die Tafel des Königs.
Chilperich hatte die Bischöfe mit ihren wichtigsten Untergebenen, den Erzpriestern und Diakonen, zu einem ersten festlichen Abendessen geladen.
Der Königspalast stand auf einer Seineinsel, das machte es leichter, den Zugang zu kontrollieren. Vor Jahrhunderten hatte er als römischer Verwaltungssitz gedient, und aus dieser Zeit stammten das solide Mauerwerk und die teilweise noch intakte Heizung. Ansonsten war es ein eher nüchterner, aber recht verschachtelter, unübersichtlicher Bau. Nur in den Räumen des ehemaligen römischen Provinzgouverneurs waren noch ein paar Fresken erhalten, hauptsächlich hübsche Ornamente, die farbige Stuckverzierungen vortäuschten. In einem der Zimmer hatte sich Chilperich eine Kapelle einrichten lassen, in der er gelegentlich jene Heiligen um Erleuchtung anzuflehen pflegte, die er besonders verehrte.
Fredegund hing in Gedanken noch einer Auseinandersetzung mit ihrer Tochter nach, als sie sich festlich gekleidet zu den Empfangsräumen begab. Dem Anlass angemessen, trat sie mit Gefolge auf, das hieß, sie ließ sich von
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