Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
gefasst machte. Aber wie sollte sie den Stoß von zwei Dolchen gleichzeitig parieren? Sie war dem Mann ausgeliefert.
Ihr Gegner sprang sie an. Fredegund ließ sich fallen und schlug gleichzeitig wieder mit dem Eisenring zu. Einer der Dolche verfing sich darin und wurde dem Angreifer aus der Hand gerissen. Während er von seinem eigenen Schwung in eine halbe Drehung gezogen und zu Fall gebracht wurde, ritzte der zweite Dolch Fredegunds Unterarm bis zum Ellbogen. Als der Mann auf sie fiel, wurde ihr der Atem aus den Lungen gepresst, dennoch gelang es ihr, ihm mit einem ausgestreckten Finger ins Auge zu stechen.
Er brüllte, bäumte sich auf, und mit ungeheurer Geschmeidigkeit kam er auf die Knie und setzte sich rittlings auf sie. Sie war gefangen. Triumphierend umfasste er mit beiden Händen den übrig gebliebenen Dolch und holte aus, um ihn ihr in die Brust zu rammen.
Fredegund schloss die Augen.
Einen unendlich langen Moment hörte sie den Mann wie ein wildes Tier keuchen, spürte die Last auf ihrem Körper, den Geruch, der der Kleidung des Mannes entströmte, ein aggressiver Gestank nach Schweiß und Leder. So roch ihr Tod.
5
Merowech atmete auf, als er sah, dass seine Stiefmutter den Raum verließ. Er ging ihr nach Möglichkeit aus dem Weg, obwohl es ihn gelegentlich reizte, sich auf ein Gespräch mit der Frau einzulassen, nach der sein Vater immer noch verrückt war. Außerdem war er klug genug, ihr das Mindestmaß an Respekt zu erweisen, auf das sie Anspruch hatte. Aber immer achtete er darauf, nicht mit ihr allein zu sein. Chlodowech erlaubte sich hin und wieder die Dummheit, in Hörweite von Hofdamen und Gefolgsleuten von der Schlampe oder Hure ihres Vaters zu sprechen, ohne einen Gedanken an die Folgen, die solches Gerede irgendwann unweigerlich haben musste.
Es gab schönere Frauen als Fredegund, jüngere, welche von weit besserer Herkunft, aber kaum verführerischere. Sie hatte etwas Aufreizendes an sich, das an Hexerei grenzte und auf alle Fälle sehr unchristlich wirkte. Er kannte viele Männer, die nur allzu bereit waren, für sie ihre Seele zu verkaufen, und er hatte nicht die Absicht, dazu zu gehören. Der beste Beweis dafür, dass sie Männer ins Verderben stürzte, war sein Vater. Nur ihr und ihren Ränken waren die Kriege zu verdanken, die nach Gailswinthas Ermordung zwischen Chilperich und Sigibert ausgebrochen waren. Merowechs ältester Bruder Theudobert war in einem der Kriege gefallen. Aus allen diesen Gründen mied er für gewöhnlich ihre Nähe wie die Pest.
Er hatte sich eine Weile mit Bischof Praetextatus von Rouen unterhalten, seinem Paten, aber da so viele Lauscher in der Nähe herumstanden, zog er es vor, das Gespräch vorzeitig zu beenden. Viel zu auffällig hatte Praetextatus ihm zugezwinkert, ihm mit verschwörerischer Miene etwas zugeflüstert, die Stimme dabei aber nur unwesentlich gedämpft. „Hast du Nachricht von ihr?“, hatte er gefragt, und als Merowech nicht darauf einging, blöderweise nachgehakt.
„Du weißt doch, wen ich meine?“
Da hatte Merowech von dem alten Hohlkopf endgültig genug. Sacht klopfte er seinem Paten auf den Arm. „Entschuldige, mir ist eingefallen, dass mir mein Vater einen Auftrag erteilt hat. Ich muss gehen.“
„Was ... was hat er dir aufgetragen?“ Manchmal stotterte der Esel, was noch mehr Aufmerksamkeit erregte.
„Ich reite nach Sankt Peter hinaus, du weißt, die Kirche, in der die Synode stattfindet ...“ Merowech dämpfte die Stimme zu einem undeutlichen Gemurmel, aus dem so etwas wie „nach dem Rechten sehen“ herauszuhören war. „Nach dem Rechten sehen“ klang hübsch unverfänglich und nach Eifer, und tatsächlich hatte ihn Chilperich darum gebeten, aber das war drei Tage her.
Dank der vielen Gäste herrschten im Palast inzwischen unglaubliche Zustände, vor allem die Besucher aus den nördlichen Provinzen fielen durch ungehobelte Sitten auf. Merowech bog in einen Flur ein, auf dem sich doch tatsächlich ein liebestolles Paar auf dem Boden wälzte. Er überlegte noch, ob er einfach über die beiden hinwegsteigen oder sie anfahren sollte, da stieß die Frau einen Schrei aus, und der Mann ...
Merowech zog seinen Dolch aus dem Gürtel und legte eine solche Wucht in den Wurf, dass die Waffe dem Kerl tief in die Schulter fuhr. Mit zwei Sätzen hatte er das Paar erreicht und versetzte dem Mann einen gewaltigen Fausthieb an die Schläfe, während er laut um Hilfe schrie. Während er den Mann auf die Füße zog und den Dolch
Weitere Kostenlose Bücher