Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
Ruhe.“ Fredegund war auf einen Schemel am Bett niedergesunken und sah zu, wie Chilperich sich im Bett zurechtsetzte und die Decken um sich raffte. „Wie konnte sie das tun? Wie konnte sie mir das antun?“, stöhnte sie auf.
„Wer?“
„Du hast diesen kleinen Bischof doch gehört. Selbst er hat’s begriffen.“
Chilperich hatte sich zurückgelehnt, die Hände im Nacken verschränkt und starrte vor sich hin. Die Erschütterung über das Vorgefallene war ihm nun deutlich anzumerken. Er fragte nicht noch einmal, wen sie meinte, obwohl nichts bewiesen war und nicht einmal Gregor die austrasische Königin beim Namen genannt hatte.
„Unsere Sünden holen uns ein“, murmelte er dumpf. „Damit hätten wir rechnen müssen.“
„Wie kannst du so etwas sagen?“ Die Stimme gehorchte ihr kaum. Ihr Arm mit der Schnittwunde fühlte sich an wie in Flammen gehüllt.
Das Zittern hatte wieder eingesetzt. Im Halbdunkel des Gemachs, das nur noch von einer kleinen Öllampe auf einem hohen Bronzekandelaber erhellt wurde, durchlebte sie die Todesangst erneut. Eine Angst, die sie schüttelte, sie klein und hilflos machte. Sie spürte eine große Finsternis in sich. Schwäche, nur Schwäche war ihr geblieben.
Es hatte sie so furchtbar getroffen, im eigenen Haus nicht sicher zu sein. Warum hasste sie ein Mann derart, dem sie nie zuvor begegnet war? Dass er Priester war, machte es nur noch schlimmer.
„Wir hätten es nicht tun dürfen, ich habe es dir gesagt, Fredegund. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich Gailswintha nicht erwürgt. Diese Sünde klebt an mir für immer. Und an dir. Wir sind verdammt in alle Ewigkeit. Du hast es so gewollt.“
Das Selbstmitleid, das aus seiner Stimme troff, brachte Fredegund auf. Aber so war er schon immer gewesen. Hinterher tat es ihm leid.
„Und Sigibert. Mein eigener Bruder ...“, fuhr Chilperich fort.
„Hör auf“, schrie Fredegund, „hör sofort auf damit! Ich ertrage das nicht.“
Chilperich scherte sich einen Dreck darum, wie sie sich fühlte. Wie sollte sie mit Brunichilds Niedertracht fertig werden? Was hatte sie ihr getan? Die arrogante, dumme Gans ahnte ja nicht einmal, wie leicht es gewesen wäre, sie während ihrer Haft in Rouen unauffällig zu beseitigen. Fredegund standen genügend ehrgeizige junge Männer zur Verfügung, die ausgezeichnet mit einem Dolch umgehen konnten und für eine Vergünstigung oder ein nettes kleines Lehen jeden umbrachten, den sie ihnen nannte. Aber sie hatte aus einer ihr selbst nicht ganz geheuren Regung der Nachsichtigkeit heraus darauf verzichtet. Nein, sie war nicht schlecht, sie wehrte sich nur, wenn sie angegriffen wurde. Diese Rachsucht, diese unbegreifliche Rachsucht Brunichilds! Das machte sie, Fredegund, entsetzlich elend.
„Du weißt genau, wie es damals war. Sigibert hätte uns umbringen lassen, er stand so dicht davor! Dass es uns gelungen ist, ihn zu vernichten, hat uns gerettet.“
Damals hatten Sigiberts Truppen fast das ganze Land Chilperichs erobert, und nur noch Tournai war unbesetzt geblieben, wo sich Chilperich mit seiner Familie verschanzt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann auch Tournai gefallen wäre. Sigiberts Leute hätten mit Chilperich und Fredegund kurzen Prozess gemacht. Sie hatte gerade ein Kind geboren und sich mit der Vorstellung gemartert, wie ihm einer von Sigiberts Männern den Schädel einschlug ...
Hatte Chilperich wirklich vergessen, wie weit sein Bruder Sigibert bereits gegangen war, als ihn das Schicksal ereilte? Sigibert ließ sich in Paris als König über das westfränkische Reich von Soissons feiern - über Chilperichs Reich. Es war eine der unbegreiflichen Launen des Schicksals gewesen, dass es zwei der kühnsten Gefolgsmännern Chilperichs gelang, zu Sigibert vorzudringen und ihn zu ermorden.
„Ich kann nicht mehr“, stammelte sie, „es tut so weh, weißt du, ich bin wie tot, ich bin so verzweifelt, wie damals in Tournai, nur schlimmer ...“ Sie wusste kaum, was sie sagte. Aber ihre Qual musste sich Bahn brechen, sonst erstickte sie daran.
Chilperich lehnte sich aus dem Bett und ergriff behutsam ihre Hände. „Komm her, komm zu mir. Gemeinsam werden wir auch das durchstehen, wie so vieles andere.“
Ihre Glieder gehorchten ihr nicht. Er musste aus dem Bett steigen und ihr hineinhelfen. Weinend klammerte sie sich an ihn, und nur langsam entspannte sie sich in seinen Armen, und als er sich über sie wälzte, um mit ihr zu schlafen, half auch das. So fanden sie
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