Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
beiseitetrat, der diesem entfallen war, hörte er zwei Wachen heraneilen.
„Wird aber auch Zeit!“, schnauzte er die beiden an und stieß den Attentäter, der erstaunlicherweise wie ein Priester gekleidet war, auf sie zu. Dann endlich konnte er sich um die Frau kümmern und biss sich vor Entsetzen auf die Zunge.
Hätte er bloß nicht eingegriffen! Hätte er doch um Himmels willen einen anderen Weg nach draußen gewählt. Es schüttelte ihn geradezu vor Bedauern über dieses Zusammentreffen unglücklicher Umstände, die ihn ausgerechnet in diesem Moment hierher geführthatten.
Fredegund keuchte schwer und richtete sich auf. Er kam nicht umhin, die Hand auszustrecken, um ihr vollends auf die Füße zu helfen. Schließlich wurden sie von den Wachen beobachtetet. Dennoch brachte er kein Wort des Bedauerns hervor über die Todesgefahr, der sie gerade noch entronnen war. Sobald sie stand, lehnte sie sich an ihn, während sie sich zu beruhigen versuchte.
„Er wollte mich töten“, sagte sie tonlos, „Merowech, er hat mir aufgelauert, um mich zu töten!“
Wurde ja auch Zeit, dachte Merowech, dass das mal jemand in die Hand nahm.
Aber dann wandte sie sich zu ihm um, presste sich an ihn an und schaute zu ihm auf, sodass er ihr in die Augen sehen musste. Augen von einem seltsamen, betörenden Grün. Und nun spürte er nur zu deutlich ihre verführerisch üppige Brust. Der Duft nach kostbaren Salben und Parfüms stieg ihm in die Nase, und er sah die Goldreflexe, die über ihr flammend rotes Haar glitten. Was für eine Frau! Es überraschte ihn selbst, dass er sie hingerissen anlächelte.
Fredegund war nur halb bei sich. Dennoch nahm sie wahr, dass sich Merowech, den sie bisher nur als langweiligen, duckmäuserischen Burschen kannte, der hoffnungslos im Schatten seiner älteren Brüder stand, verändert hatte. In seinen Augen glomm doch tatsächlich Feuer, und er wirkte auf einmal erregend männlich. Was hatte diese Veränderung bei ihm bewirkt? Die Frage streifte sie nur wie ein kurzer gnädiger Aufschub, bevor der gerade überstandene Schrecken sie wieder einholte.
Sie drehte sich zu dem Angreifer um, der sie mit unverhohlenem Hass anstarrte. Ein Priester, wahrhaftig ein Priester! Oder hatte sich der Mann verkleidet? Allerdings wusste sie nur zu genau, dass sie in der römischen Kirche kein besonderes Ansehen genoss. Aber das war kein ausreichender Grund für diesen Anschlag. Wer steckte dahinter? Einer der Bischöfe?
Sie merkte, dass sie ihres Zitterns nicht Herr wurde, und ihr Herzschlag wollte sich auch nicht beruhigen. So viel Schwäche war unerträglich.
„Wenn du erlaubst, gehe ich jetzt Vater benachrichtigen“, sagte Merowech ernst und ein wenig förmlich. „Er muss sofort von dem Anschlag erfahren.“ Zwar rang er mit einer Verwirrung, die ihn am klaren Denken hinderte, dennoch erkannte er, wie wichtig eine rasche Aufklärung des Vorfalls war.
Fredegund löste sich von ihm und trat zurück. Die Hand auf den Magen gepresst, beugte sie sich vor und holte keuchend Atem.
„N... nein!“, hauchte sie stammelnd. „Die Synode.“
Merowech verstand, was sie sagen wollte. Die Synode war ein wichtiges Ereignis, das nicht durch die Nachricht von einem Attentat gestört werden sollte. Aber es würde sich nicht geheim halten lassen. Nur war es möglicherweise besser, Chilperich erst später zu informieren. Nach dem Abendbankett.
„Schafft den Mann in den Kerker und sorgt dafür, dass er redet“, wies er die Wachen an. Das Untergeschoss des Palastes mit seiner ausgedehnten Heizanlage und den Vorratskellern aus der Römerzeit war noch weitgehend erhalten. Einige der Gelasse hatte man mit dem für Kerker unerlässlichen Zubehör ausgestattet -, wie in den Wänden verankerten Eisenketten, eisernen Fußfesseln, Halsringen und einfachen Folterinstrumenten.
In einem Winkel seines Herzens wünschte sich Merowech, dass sein älterer Bruder an seiner statt zur Stelle gewesen wäre. Chlodowech hätte abgewartet, bis der Priester Fredegund abgestochen hätte, hätte umgehend den Kerl erledigt und später allen gegenüber behauptet, dass er leider die Königin nicht habe retten können, aber ihren Tod gerächt habe. Für diese Heldentat hätte er sich von Chilperich mit einem Landgut beschenken lassen. „Wir müssen wissen, wer er ist und wer ihn geschickt hat.“
Ausgerechnet in diesem Moment tauchte einer der Bischöfe auf. Es war Gregor von Tours, ein kleiner Mann, der auf Unbestechlichkeit Wert legte,
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