Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
schrie Fredegund den Priester an. „Rede! Ich schick dich lebend zurück zu deinem Bischof, wenn du uns verrätst, zu wem du gehörst.“ Wenn sie die Diözese wüsste, käme sie weiter.
Außer Gewimmer drang kein Laut über die Lippen des Mannes, aber plötzlich legte er den Kopf in den Nacken und begann lauthals auf Latein zu rezitieren. Fredegund verstand kein Wort. So also bewies ihr der Mann, dass er sich ihr immer noch überlegen fühlte.
„Worauf wartet ihr?“, schrie sie.
Zwei Männer aus der Wachmannschaft hielten den Priester fest, als das Beil wieder niedersauste. Erst sah es so aus, als würde der Priester ohnmächtig, dann aber reckte er den blutenden Stumpf hoch und schrie noch lauter sein Gebet, wenn es denn eines war und doch kein Fluch. Das Blut sprudelte in einem Schwall hervor, lief den Arm entlang, tropfte zu Boden.
Fredegund geriet außer sich. „Schlagt ihm den Fuß ab, schlagt ihm den rechten Fuß ab, macht schon, worauf wartet ihr noch?“
Es war ein Abschlachten.
Auf dem Ziegelboden breitete sich eine immer größere Lache aus, in der sich das Licht der Fackeln spiegelte. Dass ein Körper so viel Blut enthielt, hätte Fredegund nicht gedacht. Der abgetrennte Fuß sah seltsam aus, weiß und schmutzig.
Langsam sackte der Priester in sich zusammen und rührte sich nicht mehr. Fredegund stand auf und riss seinen Kopf hoch. „Redest du nun?“
Sie sah nur das Weiße in seinen Augen.
Der Hauptmann beugte sich über den Mann und schüttelte den Kopf. „Der redet nicht mehr. Nie mehr. Ich sagte doch, er verblutet. Er hört dich nicht mehr, er ist am Ende.“
„Dann schlagt ihm auch den anderen Fuß ab.“
„Aber ...“
„Tut, was ich sage!“ Sie spürte, wie ihre Wut sich abkühlte, Wut über diesen Mann, der sich ihr bis zum letzten Atemzug widersetzt hatte. Aber dennoch. „Jeder soll sehen, wie hier mit Meuchelmördern verfahren wird.“
Sie wartete nicht darauf, dass man ihrem Befehl nachkam. Genug war genug, das Blut hatte ihre Schuhe durchweicht, der Geruch, dieser schwere, süßliche Geruch des gewaltsamen Todes, stieg ihr in die Nase und löste eine verheerende Übelkeit aus. Außerdem wollte sie das Bild der abgetrennten Hände und Füße vergessen, das ihr nun so grell in die Augen stach. Immerhin gelang es ihr, ruhig und aufrecht den Kerker zu verlassen. Sie schaffte es, die Treppen hinaufzukommen, beugte dann sich aber aus einem offenen Fenster und erbrach sich.
7
Wittiges erwachte mit brummendem Schädel. Nur mit einem Hemd bekleidet, taumelte er ins Freie, wo ihm das grelle Tageslicht in die Augen stach.
„Ich wollte gerade nach dir sehen, schon zum zweiten Mal heute. Es ist fast Mittag“, empfing ihn Venantius aufgeräumt. Er legte die letzten Schritte bis zur Hütte zurück. Vom Wachfeuer war nur noch zertretene Asche übrig, der Platz vor der Unterkunft lag verlassen da, aber vom restlichen Lager weiter den Hügel hinauf schallte der übliche Lärm bis zu ihnen. „Deinen Schlaf möchte ich haben. Es war etwas unruhig bei dir heute Nacht“, fügte er anzüglich hinzu.
„Wieso?“, fragte Wittiges verständnislos, bevor ihm ein Licht aufging. Die Frau! Sofort drehte er sich um, riss den Vorhang beiseite, beugte sich vor und spähte hinüber zu dem zerwühlten Lager mit den Decken. Zur Vorsicht schlüpfte er hinein, ging auf die Knie und riss ächzend vor Kopfschmerzen die Decken auseinander. Etwas blinkte, er griff danach und hielt eine Silberfibel in der Hand. Noch während er dort hockte, kam ihm Venantius nach und sah sich neugierig um.
„Übrigens, er hat sich nicht die Zunge abgeschnitten.“
„Wer?“ Wittiges wünschte sich nichts dringender, als dass Venantius nicht länger seinen Argusblick schweifen ließ und die miserable Verfassung seines Reisegefährten genoss.
„Dieser Kerl gestern beim Nachtmahl. Er hat sich nur die Wange durchbohrt und nicht die Zunge ...“
„Macht es dir etwas aus, mich allein zu lassen?“, bat Wittiges ächzend. „Es wird Zeit, dass ich mich fertig mache. Kaghan Baian wird bestimmt schon ungeduldig ...“
„Kaghan Baian hat die Siedlung verlassen“, fiel ihm Venantius ins Wort. „Wir sind für heute ganz auf uns gestellt. Was hast du also vor?“
„Mir einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf zu schütten.“
Wann war die Awarin verschwunden? Und warum hatte sie ihn nicht geweckt?
„Vielleicht solltest du dich bei einer Vertrauensperson aussprechen“, riet Venantius vergnügt. „Das soll die
Weitere Kostenlose Bücher