Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
gleiche klärende Wirkung haben, führt aber nicht zu einer Verkühlung.“
Hoffte Venantius allen Ernstes auf schlüpfrige Geständnisse und verlegenes Gestammel?
Wittiges drückte die Fibel in die Handfläche, bis er den scharfen Dorn spürte. Der Schmerz half ihm, die Geduld nicht zu verlieren. „Wenn du gütigst erlaubst, kleide ich mich jetzt fertig an, und dabei benötige ich keine Hilfe, ich komme allein zurecht. Aber wenn du dir schon Sorgen um mich machst, hol mir etwas zu trinken und zu essen“, knurrte er.
„Ich bin kein Knecht, aber natürlich bin ich dir gern zu Diensten, wenn es deine Laune bessert.“
Das Ärgerliche an dem Kerl war die Art und Weise, wie er seine rhetorischen Spitzen vorbrachte, ohne etwas von seinem geschmeidigen, leicht herablassenden Wohlwollen zu verlieren. Ein wahrer Freund!
Aber endlich war er im Begriff, sich zurückzuziehen.
„Halt!“
„Ja?“ Mit einem Aufblitzen in den Augen wandte sich Venantius wieder zu ihm um.
Gerade hatte Wittiges den wahnwitzigen Einfall gehabt, ihn nach der Awarin zu fragen, aber ein letzter Rest Scham und Scheu hielt ihn davon ab. Jetzt meldeten sich die Erinnerungen mit Macht. All diese zügellose Leidenschaft, diese überwältigende Ekstase ... Was hatte Venantius davon mitbekommen? Wittiges fühlte sich nackt und bloßgestellt.
„Ach, nichts, aber wenn du dich bitte beeilen würdest.“
Bis Venantius zurückkehrte, würde er sich aus dem Staub machen, um jeglichem neugierigem Nachbohren zu entgehen. Aber warum eigentlich? Er war schließlich weder Eunuch noch Priester, und eine leidenschaftliche Nacht mit einer schönen Frau verbracht zu haben, weckte bei anderen Männern allenfalls Neid. Es war Venantius eigene, unverständliche Entscheidung, ein zölibatäres Leben zu führen. An sein Beispiel musste sich niemand halten. Warum dann dieses Unbehagen, dieses leise bohrende Schuldgefühl? Aber da war auch eine große Sehnsucht spürbar. Sobald Wittiges die Awarin gefunden hatte, würde er versuchen, sich mit ihr zu verständigen, und ihr sagen, dass er ...
Aletha würde keine zweite Frau neben sich dulden, und was würde sein Sohn davon halten, wenn er eine Fremde mitbrächte, mit der er das Bett zu teilen gedachte? Felix würde es nicht verstehen. Könnte er die Verachtung seines einzigen Sohnes ertragen? Ihn schauderte. In seinem kläglichen Zustand waren solche Grübeleien ungesund.
Nun erst gewahrte er den Geruch, der an ihm haftete, den Geruch der Nacht. Der Leidenschaft . Wieder holten ihn die Bilder ein, und fast spürte er, wie er sich in das Mädchen ... Sein Glied schwoll an.
„Bist du fertig?“, hörte er Venantius’ freundliche Stimme. Hastig schlang sich Wittiges eine Decke um die Hüften und trat vor die Tür. Bestimmt bot er einen seltsamen Anblick, aber bevor Venantius ihm mit einer Bemerkung zusetzen konnte, tauchte Kursich auf. Dankbar blickte Wittiges dem Übersetzer entgegen.
„Kaghan Baian ist fortgeritten, ich hab’s bereits vernommen. Wäre es möglich, heute die Schmiede zu sehen?“, rief er ihm zu.
„Warum nicht?“, brummte Kursich überraschend und wich seinem Blick aus. Seine Miene wirkte verschlagener als gewöhnlich.
Wittiges überlegte, warum ihm der Mann so zuwider war. Wegen der eng stehenden Augen mit dem unsteten Blick? Wegen der Wortkargheit, der mangelnden Höflichkeit, die vielleicht eine Eigenart der Awaren war? Aber andere winkten ihm mit lässiger Freundlichkeit zu, während Kursich kaum jemals die Miene verzog. Gefällig war er schon gar nicht.
„Na, großartig.“ Wittiges grinste scheinbar gut gelaunt. „Ich bin gleich fertig.“
Es gab erstaunlicherweise das eine oder andere, auf das sich die Awaren verstanden und das Wittiges eine gewisse Bewunderung abnötigte. Das eine war ihre Schmiedekunst, das andere waren ihre Pferde. Mit beidem gedachte er sich an diesem Tag näher zu befassen. Vor allem von Pferden verstand er selbst einiges, von der Schmiedekunst besaß er immerhin Grundkenntnisse. Der Besuch der Schmiede würde ihn davon abhalten, unentwegt an das awarische Mädchen zu denken, und er würde einen gewissen Abstand zu den Erlebnissen der Nacht gewinnen, sodass er bald wieder im Vollbesitz seiner Vernunft wäre.
In dem sicheren Bewusstsein, dass Venantius die Wartezeit nutzen würde, das Licht seines überragenden Wissens über Kursich leuchten zu lassen, gelang es ihm, sich unauffällig wieder zurückzuziehen.
In aller Hast wusch er sich mit dem inzwischen
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