Der Hueter der Koenigin - Historischer Roman
stand eine auffällig rothaarige Frau mit einem jungen Mädchen.
Die Frau war Fredegund!
Ein grausiges Gefühl von Unwirklichkeit überkam Brunichild, als sie die Frau erblickte, die die Ermordung Gailswinthas und Sigiberts auf dem Gewissen hatte. Zu schade, dass der kleine Priester versagt hatte!
Fredegund trat ihnen entgegen. „Ach, das ist dein Sohn? Lass sehen!“ Eine förmliche Begrüßung schenkte sie sich, lächelte aber scheinbar unbeschwert.
Mit einer raschen Bewegung schob Brunichild Felix hinter sich. „Auf keinen Fall.“
Fredegunds Miene erstarrte. „Du glaubst doch nicht etwa, ich vergreife mich an dem Kind?“
Es war Jahre her, dass sie sich so nahe gekommen waren. Mit einer eigenartigen Schärfe nahm Brunichild die Veränderungen an ihrer Feindin wahr, die üppigere Gestalt, vor allem aber die Härte, die die einst lieblichen Züge prägte und die von größerer Unbeugsamkeit zeugte – und vielleicht auch von Verbitterung. Sie fragte sich, ob sie sich in ähnlicher Weise verändert hatte.
„Was sollte dich daran hindern?“, fragte Brunichild kalt.
„Du solltest wieder heiraten“, bemerkte Fredegund lässig, „das ist ein gutes Mittel gegen Schrulligkeit, und verhindert, dass du dich wie eine ängstliche alte Jungfer aufführst.“
„Mutter!“, mischte sich das Mädchen tadelnd ein. Es musste Fredegunds Tochter Rigunth sein, eine dralle Dreizehnjährige, ebenso rothaarig wie die Mutter.
„Sei still!“ Fredegund gab ihrer Tochter eine Ohrfeige, und Brunichild war damit durchaus einverstanden. Was fiel dieser Göre ein, ihre Mutter zu kritisieren? Was hatte das Mädchen bloß für Manieren? Der irrwitzige Hauch von Einverständnis verflog aber sofort wieder.
„Bei dir merkt man immer noch, aus welchem Stall du kommst. Die Küchenmagd, die du einmal warst, wirst du nie los“, sagte Brunichild leichthin und ließ die beiden stehen. Fredegund war die Tochter eines kleinen Gebietskönigs im fränkischen Norden, aber ihre Mutter war Sklavin gewesen, eine Beute aus einem der unzähligen Kriege der Vergangenheit, aber so genau wusste das niemand. Aufgewachsen war Fredegund im Haushalt von Chilperichs erster Frau Audovera, wo sie sich im Bett des Königs nach oben gedient hatte. Es war nun nicht mehr von Belang, woher sie stammte, aber Brunichild hatte herausgefunden, dass nichts Fredegund so sehr ärgerte wie ein Hinweis auf ihre dunkle Herkunft.
Sie sahen sich erst am übernächsten Tag vor der Kirche wieder. Fredegund war wie alle anderen Frauen in Trauergewänder gehüllt, das hieß, über ihren Kleidern trugen sie weite dunkle Umhänge aus leichten Stoffen, die in der Sommerbrise ein wenig flatterten. Die Hitze drückte schon so früh am morgen, bis mittags würden sie alle durchgeschwitzt sein.
Die Prozession, die Einzug in die Kirche hielt, hatte sich auseinandergezogen, und es war Zufall, dass beide Königinnen nahezu gleichzeitig die schmale, weit offen stehende Pforte erreichten. Weihrauchduft schlug ihnen entgegen, und am Altar hinten im Chor schimmerten unzählige Kerzen. Sowohl Brunichild als auch Fredegund wurden von einem kleinen Gefolge aus Kriegern und Edeldamen begleitet, und Fredegund hatte ihre Tochter Rigunth dabei, die sich zwei Schritte hinter ihr hielt. Brunichild hatte Guntrams Bitte, Bertho an den Feierlichkeiten in der Kirche teilnehmen zu lassen, schlicht überhört. Sollte er später nachfragen, wollte sie behaupten, dem Jungen sei unwohl. Seit der ersten Begegnung mit Fredegund wurde sie von Unruhe und Sorge getrieben. Anlass gab ihr vor allem die Tatsache, dass Fredegund ihre Söhne zu Hause gelassen hatte. Brunichild schien, als sollte damit das Schlachtfeld freigehalten werden. Das verwies auf einen Plan, den sie nur noch nicht durchschaute, der aber gewiss eine Gefahr – eine tödliche Gefahr - für Bertho beziehungsweise Felix darstellte, falls jener wieder die Rolle ihres Sohnes übernähme.
Fredegund schritt auf einmal schneller aus, als ob sie unbedingt vor ihr die Kirche betreten wollte. Dabei öffnete sich der Umhang, und Brunichild sah etwas, dessen Anblick ihr vor Überraschung den Atem verschlug. Ohne nachzudenken, trat sie Fredegund in den Weg und prallte beinahe mit ihr zusammen.
„Geh beiseite!“, zischte Fredegund mit hoch erhobenem Kopf.
„Was?“
„Tritt beiseite!“ Ein Luftzug aus der Kirche wehte Fredegunds Umhang weit auseinander, und wieder sah Brunichild den kostbaren, wunderschönen Gürtel, der auf dem dunklen Stoff
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