Der Huf des Teufels (German Edition)
so?«, fragte Lasse und deutete auf das Seil, das zusammengerollt an Shellys Sattel hing.
»Sicher. Ich kann die Rinder fangen, ich kann sie umwerfen, fesseln und dann brandmarken«, erwiderte Shelly lächelnd. »Ich bin auf einer Ranch groß geworden.«
»Wie sind Sie dann zum Film gekommen?«, wollte Leif wissen. Sie ritten jetzt nebeneinander in Richtung Gestüt.
»Nun, ich bin auf Rodeos geritten und hab auch manchmal als Ring-Clown gearbeitet.«
»Im Ernst?«, fragte Leif. »Ist das nicht gefährlich?«
»Der einzige Job beim Rodeo, der nicht gefährlich ist, ist Zuschauer. Ich hab einige Verletzungen gehabt. Meist Arm- oder Rippenbrüche. Einmal hat mir ein Stier sein Horn in den Oberschenkel gerammt und mich hochgeschleudert. Die Wunde war so sauber gestochen, dass sie kaum geblutet hat. Aber er hat mir fast den ganzen Schenkel durchbohrt.«
»Und wie kam das nun mit der Serie?«
»Das war in Jacksonville, einem der größten Rodeos überhaupt. Da saß ein Produzent auf der Tribüne, weil ihn ein Freund, ein sehr bekannter Schauspieler, eingeladen hatte.«
»Und wer war das?«
»Kennt ihr Harrison Ford?«
»Machen Sie Witze?«, rief Leif.
»Na ja, kurz vorher hatte ein Drehbuchautor diesen Produzenten von einer Idee überzeugen wollen. Die Serie, um die es ging, sollte The Horse Cop heißen, auf Deutsch ›Die Pferdepolizistin‹. Nun, ich war dort am Start und habe einen Bullen geritten und ein Kalb eingefangen. Ich hab zwar nicht gewonnen, aber der Kerl sah mich und wusste, dass er seine Pferdepolizistin gefunden hatte. Auf dem Parkplatz sprach er mich an. Lud mich nach Los Angeles ein, und der Rest ist Geschichte.«
»Also hatten Sie nie Schauspielunterricht?«, fragte Lasse.
»Das willst du doch wohl nicht an die Presse weitergeben?«
»Nein, reine Neugier.«
»Ich hab in der Highschool mal den Löwen aus dem Wizard of Oz gespielt, das war’s aber auch schon.«
»Und dieser Produzent, ist das der, mit dem Sie sich angeblich zerstritten haben, bevor Sie nach Deutschland kamen?« Lasse grinste, als er das fragte.
»Du hast deine Hausaufgaben gemacht, mein Junge. Und wieder hast du was, mit dem du mich erpressen kannst.«
»Wir sehen schlimmer aus als wir sind. Jungs, die reiten, sind immer Mamas Lieblinge.«
»Soso. Wisst ihr, ob es einen Laden hier oder in Celle gibt, der Cowboystiefel verkauft? Ich meine, gute Stiefel?«
Die beiden sahen sich ratlos an.
»Also, da sind wir überfragt. In Hannover gibt’s so was, denke ich. Brauchen Sie neue?«
»Na ja, ich hab nur die. Ich wollte mal eine andere Farbe haben.«
Die beiden nickten.
»Schwarz wäre doch eine gute Farbe, meint ihr nicht? Schwarz ist immer angesagt. Vielleicht sollte ich mir auch schwarze Jeans kaufen und ein schwarzes Westernhemd. Würde mir das stehen?« Sie betrachtete die beiden aufmerksam.
Leif und Lasse war das Lächeln vergangen. Sie hatten ihre Antennen weit ausgefahren und registrierten eindeutig Gefahr. War das eine Anspielung auf ihren Einkauf? Konnte Shelly davon wissen? Hatte sie sie gesehen? Oder war das nur ein Zufall? Lasse gewann seine Fassung als Erster zurück.
»Schwarz wäre prima, doch dann darf der passende Hut nicht fehlen.«
»Dann sehe ich ja aus wie ein Böser. Im Western sind alle Bösen immer schwarz gekleidet. Neulich wollte ich mir etwas Unauffälligeres kaufen, wie ihr mir geraten habt. Gott, die Sachen sind ja so billig im Supermarkt, ich konnte es kaum glauben. Allerdings hatten die da nur eine Umkleide, und die war leider besetzt.«
Leif und Lasse tauschten einen schnellen Blick.
»Also hab ich die Sachen zu Hause anprobiert. Hat alles gepasst. Dank euch beiden sehe ich jetzt nicht mehr wie ein Alien oder ein Flamingo aus.«
»Nein, tatsächlich nicht.«
Lasses Stimme war eine Oktave tiefer gerutscht. Es musste ein Angriff von Shelly gewesen sein. Sie wusste etwas und sprach sie ganz direkt darauf an. Oder doch nicht?
»Wollen Sie uns etwas Bestimmtes sagen?«
Shelly klimperte unschuldig mit den Wimpern.
»Was sollte ich euch sagen wollen?«
»Ich habe das Gefühl, dass Sie etwas sagen, aber eigentlich etwas anderes meinen.« Lasse hielt sein Pferd an, und Leif und Shelly taten es ihm gleich.
»Nein, ich meine das so, wie ich es sage. Ihr habt aus mir eine Graugans gemacht. Und ich habe mich dafür bedankt. Mehr nicht.«
»Ein getarnter Flamingo ist noch lange keine Graugans.« Lasse trieb sein Pferd wieder an und ritt an Shelly vorbei, die ihm mit ihrem Blick folgte. Sie
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