Der Hund kommt - Roman
Magen knurrt, sind wir bald wieder gesund«, sagte die Siamkatze. »Dann können wir bald nach Hause gehen!«
»Ach nein«, rief der Hund schnell, »ich habe mich nur versprochen. Nicht der Magen knurrt, der Kopf knurrt.«
»Der Kopf knurrt?« Die Siamkatze schaute erstaunt.
»Zwischen den Ohren«, sagte der Hund, »irgendwo tief drinnen.«
Die Siamkatze holte einen Kugelschreiber aus der Schürzentasche und kritzelte etwas auf das Krankenblatt am Fußende vom Bett des Hundes. Dann wünschte sie dem Hund »eine gute Nacht« und verließ das Zimmer. Der Hund sprang aus dem Bett und schaute nach, was die Siamkatze auf das Krankenblatt geschrieben hatte. Schmerzhaftes Knurren im Oberschädel! , hatte sie geschrieben.
Der Hund wollte ins Bett zurück, doch da hörte er vom Flur her leises Geschepper und Geklirr. Und Duft nach Fleisch witterte seine feine Nase auch. Die Katze teilt das Nachtmahl aus, dachte der Hund. Vor lauter Sehnsucht nach Fleisch lief dem Hund der Speichel im Maul zusammen. Er schlich zur Tür, öffnete sie einen kleinen Spalt und linste auf den Flur hinaus. Direkt vor seiner Tür stand ein Rollwagen mit einem Stapel Teller und einem Topf Matrosenfleisch und einem Besteckkasten voll Messer und Gabeln.
Der Fleischgeruch drang dem Hund so stark in die Nase, dass ihm vor lauter Gier der Speichel aus dem Maul tropfte. Der Hund machte die Tür ein bisschen weiter auf und schaute den Flur hinauf und hinunter. Niemand war zu sehen. Bloß die Stimme der Siamkatze war aus dem Nachbarzimmer zu hören. Sie sagte: »Aber, aber, wir müssen doch essen! Wir machen brav den Mund auf und lassen uns füttern!«
Da riss der Hund die Tür ganz auf, sprang zum Rollwagen hin, nahm einen Teller, füllte ihn randvoll mit Fleisch, fraß in Windeseile den Teller leer, schleckte ihn blitzsauber und stellte ihn auf den Rollwagen zurück. Nun knurrte sein Magen nicht mehr. Er huschte in sein Zimmer zurück, legte sich ins Bett und schlief zufrieden ein.
Am nächsten Tag, gleich nach dem Zwieback-Tee-Frühstück, kamen drei Ärzte zum Hund ins Zimmer. Ein sehr dicker Arzt, ein spindeldürrer Arzt und ein normal gewachsener Arzt.
Der sehr dicke Arzt sagte: »Herr Hund, wir haben jetzt Ihre Befunde. Sie sind wieder gesund.«
Der spindeldürre Arzt sagte: »Ihre Bandscheiben sind allerdings etwas abgenützt. Meiden Sie Feuchtigkeit und Kälte.«
Der normal gewachsene Arzt sagte: »Und immer brav durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen, damit es nicht wieder so einen bösen Husten gibt.«
Der sehr dicke Arzt sagte: »Und wegen dem Bauch würde ich noch zu vier Wochen Schonkost raten.«
Der spindeldürre Arzt sagte: »Also, dann viel Glück für Ihren weiteren Lebensweg.«
»Moment mal«, rief der normal gewachsene Arzt. »Was haben wir denn da?« Er starrte auf das Krankenblatt.
»Schmerzhaftes Knurren im Oberschädel«, las er seinen zwei Kollegen vor.
»Wo genau?«, fragte der sehr dicke Arzt.
»Hier bitte!« Der Hund zeigte auf die Stelle zwischen den Flatterohren, wo er sich von seiner Frau so gerne hatte kraulen lassen.
»Und seit wann?«, fragte der spindeldürre Arzt.
»Seit Wochen schon«, log der Hund.
»Anfallartig oder permanent?«, fragte der normal gewachsene Arzt.
»Anfallartig«, sagte der Hund, weil er nicht wusste, was »permanent« zu bedeuten hatte.
»Dann müssen wir Sie leider noch ein bisschen hier behalten, Herr Hund«, sagte der sehr dicke Arzt.
»Sie müssen zum Hirnspezialisten«, sagte der spindeldürre Arzt.
»Aber der ist leider auf Urlaub, der kommt erst nächste Woche«, sagte der normal gewachsene Arzt.
Der Hund tat, als wäre er sehr traurig über den verlängerten Krankenhausaufenthalt.
»Kopf hoch«, rief der sehr dicke Arzt und tatschte dem Hund auf den Bauch.
»Länger als eine Woche wird’s nicht dauern«, rief der spindeldürre Arzt und zog den Hund aufmunternd am Schwanz.
Und der normal gewachsene Arzt nahm das Krankenblatt und schrieb mit großen Buchstaben quer darüber: Ab heute normale Kost!
Da konnte der Hund ein fröhliches Grinsen nicht mehr unterdrücken. Die drei Ärzte freuten sich darüber und lobten den Hund. Er sei ein einsichtiger, vernünftiger Hund, sagten sie. Solche Patienten, sagten sie, hätten sie gerne.
Nun hatte der Hund am Krankenhausleben nichts mehr auszusetzen. Er bekam von der Siamkatze Fleisch, so viel er wollte. Er konnte schlafen und vor sich hin träumen, so viel er nur wollte. Und die Siamkatze machte ihm jeden Morgen
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