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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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das Bett, und am Nachmittag kamen immer der Bär und die Witwe Olga zu Besuch und brachten ihm eine zusätzliche Extrawurst oder eine Salami, und Schokolade und Karamellen brachten sie ihm auch.
    Samstag, am Morgen, als der Hund gerade die Extrawurst fraß, die ihm der Bär am Freitag gebracht hatte, ging die Zimmertür auf, die Siamkatze und ein Pfleger-Pferd rollten das Bett vom Hund zur Seite und holten ein zweites Bett ins Zimmer. In dem Bett lag ein Kater. Ein sehr großer, sehr schwarzer Kater.
    »Damit wir Gesellschaft haben«, sagte die Siamkatze. »Immer allein liegen ist nicht vergnüglich!«
    Eine vergnügliche Gesellschaft war der Kater jedoch für den Hund nicht, denn er tat nichts anderes als laut schnarchen. Er war noch in Narkose. Und als er dann aus der Narkose erwachte, jammerte er unentwegt vor sich hin: »O Gott, o Gott, was soll ich denn bloß machen, o Gott, o Gott, was wird denn nun sein, o Gott, o Gott, was soll ich denn bloß machen!«
    Bis gegen Mittag hörte sich der Hund das Gejammer an, dann beugte er sich zum Kater hinüber und sagte: »Gar nichts sollen Sie machen, aber zu jammern könnten Sie aufhören!«
    »Sie haben leicht reden«, stöhnte der Kater. »Ach, wenn Sie wüssten, ach, wenn Sie wüssten!«
    »Sprechen Sie sich aus«, sagte der Hund.
    »Ich habe ein Riesenproblem«, stöhnte der Kater. »Ich hab’s an der Galle. Ich vertrage kein fettes Fleisch. Aber mageres Fleisch ist teuer. Also kaufe ich mir eben fettes Fleisch. Und dann bekomme ich regelmäßig Gallenanfälle. Meistens kriege ich sie ja mit Wiesenschaumkrauttee einigermaßen wieder hin. Aber heut in aller Herrgottsfrüh überfällt mich die Galle mitten im Supermarkt. Beim Thunfischregal klappe ich einfach zusammen. Und die Rettung kommt und bringt mich hierher!«
    »Keine Sorge, hier stirbt man nicht unbedingt«, sagte der Hund, weil er meinte, der Kater habe das gleiche Problem, das er selbst bei seiner Einlieferung gehabt hatte.
    »Ist mir sonnenklar«, stöhnte der Kater.
    »Aber wo ist dann Ihr Problem?«, fragte der Hund.
    »Mein Problem ist daheim«, stöhnte der Kater. »Meine Kinder sind vaterseelenallein!« Der Kater wischte sich über die Augen. »Wissen Sie«, fuhr er fort, »ein Kater hält üblicherweise nicht viel vom Familienleben. Ein Kater pflegt nicht mit einer Frau zusammenzuleben. Ein Kater pflegt viele Katzen zu lieben. Die Katzen bekommen dann die Jungen und ziehen sie groß.«
    »Ist mir bekannt«, sagte der Hund.
    »Aber seit einem Jahr«, stöhnte der Kater und wischte sich wieder über die Augen, »gibt es diese Katzenbewegung. Die Katzen sind sauer auf die Kater. Sie wollen mit den Katern gleichberechtigt sein. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten, sagen sie.«
    »Ist irgendwie einzusehen«, sagte der Hund.
    »Hab ich ja auch eingesehen«, stöhnte der Kater. »Und darum habe ich mich bereit erklärt, die Jungen aus diesem Frühling großzuziehen. Damit die Katzenmütter ihr eigenes Leben führen können. Ich drücke mich nicht vor den Vaterpflichten! Ich nicht!«
    »Das ist sehr schön von Ihnen«, sagte der Hund.
    »Aber jetzt liege ich da im Bett«, stöhnte der Kater, »und bin frisch operiert und habe einen Verband um den Bauch, und meine armen Kleinen weinen sich daheim die Augen aus und haben keine Ahnung, wo ihr Papa steckt, und haben nichts zu essen und haben niemanden, der ihnen eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt, und niemanden, der sie tröstet, wenn sie sich fürchten in der Nacht.«
    »Haben Sie keine Verwandten?«, fragte der Hund. »Vater, Bruder, Onkel, Schwester, Tante oder Großmutter, die da einspringen könnten?«
    »Hab ich, hab ich in Massen«, stöhnte der Kater. »Aber die haben doch alle keinen Familiensinn. Die gehen an mir vorüber, ohne mich überhaupt zu erkennen! Nein, nein«, der Kater schluchzte auf, »meine armen Hascherl müssen ins Katzenheim, o Gott, o Gott, was soll ich bloß machen?«
    Der Kater schluchzte zum Herzerweichen, und da der Hund ohnehin ein sehr weiches Herz hatte, rührte ihn der schluchzende Kater-Vater fast zu Tränen. Doch gottlob hatte der Hund nicht nur ein weiches, gutes Herz, sondern auch ein gutes Hirn, das harte Probleme durchdenken konnte. Was soll’s, dachte der Hund. Da in Sicherheit herumliegen ist ja ganz nett und beschaulich. Aber schließlich bin ich in die weite Welt gezogen, um mich nützlich zu machen!
    »Kater«, sagte der Hund, »ich werde deine Kinder hüten, bis du wieder auf dem Damm bist.«
    Der Hund stieg aus dem

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