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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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schulterte eine Videokamera. Er hatte einen Seehundsbart und den Wolfsblick der Freischaffenden. »Das fietscher ich weg, mit O-Ton plus ‘nem Aufsager von eins Komma fünf und ein paar Landschaftsschwenks. Wenn ARD oder ZDF nicht anbeißen, verkaufe ich’s an die Privaten.«
    Jasper wechselte das Thema. Kurzerhand verdammte er alle Besucher, die es wagten, die Insel zu betreten, ohne Katalanisch oder zumindest Spanisch zu sprechen. »Das ist Kulturimperialismus!« Seine Stimme kam näher, er bahnte sich einen Weg zu dem Videofilmer.
    »He, kleiner Ausbeuter, ja, du mit der Kamera und dem aufgepflanzten Mikrofon, schon mal was vom Recht am eigenen Bild gehört? Mach nur so weiter, dann kannst du gleich deinen eigenen Schrei aufnehmen.« Hinter seinen breiten Schultern, die sich kampfbereit spannten, entdeckte ich Werner Stoll. Ich pirschte mich zurück zur Verandasäule.
    Sie stand noch auf demselben Fleck, aber mir ging auf, daß sie unterdessen einen strammen Schluck getrunken haben mußte. Sie wollte keine Paella, sie wollte nicht mit mir reden. Ihr Rücken strahlte nur noch Abwehr aus.
    Dabei hatte es nicht schlecht angefangen mit uns. Mir blieb noch das Essen. Ich setzte mich auf die Stufen. Der leicht angebratene Reis schmeckte am besten.
    Eine einsame Flöte wimmerte. Doch der Gitarrist ließ sie nicht lange allein. Er griff in die Saiten, und es klang schauderhaft. Vielleicht war er in der guten alten Zeit mit seinem Instrument besser klargekommen.
    »Willst du noch lange bleiben?« fragte sie unvermittelt.
    »Nein.«
    »Na, dann komm! Ich zeig dir was.«

20.
     
     
     
    »Das ging aber schnell.« Ihr Mund lag weich an meinem Ohr. »Du, sag mal, wenn ich so auf dir liegen bleibe, ob du dann noch mal kannst?«
    Sie flüsterte noch mehr von diesem süßen Unsinn, und ich blickte in einen Sternenhimmel, so klar, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Der Große Bär, der Kleine Hund und all die anderen Sternbilder, die bläulich, rötlich, gelblich flimmernd ihr Licht zur Erde sandten, waren zum Greifen nahe.
    Ich fühlte mich prächtig, trotz der spitzen Steine, die sich in meine Schulter bohrten. Ein klein wenig beunruhigte mich jetzt, nachdem ich wieder denken konnte, jedoch die Nähe des Abgrunds. Er fing da an, wo meine Füße aufhörten.
    Nachdem wir die Casa Los Arcos verlassen hatten, waren wir zur Hochebene La Mola gefahren; sie hatte mir den Leuchtturm gezeigt, und alles weitere hatte sich wortlos ergeben. Nun war es wohl an der Zeit, sie nach ihrem Namen zu fragen.
    Sie kam mir zuvor. »Ist es noch bequem für dich?«
    »Hmm.«
    »Ich finde es gut, daß du nicht zu denen gehörst, die hinterher reden müssen oder rauchen oder sonst was tun. Sei nicht böse, aber ich finde es auch gut, daß du nicht lange hier bleibst. Mit einem von der Insel würde ich mich nämlich nie einlassen. Nach einer Stunde wüßte es die ganze Residentenbande. Das Tratschen ist eine Seuche; die Ausländer, die hier leben, haben nichts anderes zu tun. Sie haben sowieso zu wenig zu tun. Deshalb machen Pärchen alles zusammen, für jede Stange Brot steigen sie zusammen ins Auto und fahren zum Bäcker. Ich kenne keine Partnerschaft, die unter diesem Druck längere Zeit gehalten hat. Jeder weiß alles über jeden. Die verfluchte Enge auf diesem verflucht schönen Hundeknochen erzieht zu Spießigkeit und Duckmäusertum. Wenn du als Ausländer dauernd hier lebst, bleiben dir nur zwei Möglichkeiten: Entweder du bist brav, oder du störst dich einen Dreck um das Gerede. Oder du hältst es wie die Einheimischen: Familie, sonst nix. Ihre vielgepriesene Toleranz ist nichts anderes als Gleichgültigkeit. Als mich vor Jahren mal ein ausgerasteter Drogentyp mit einem Messer bedrohte und das Haus auf den Kopf stellte, kam keiner der Nachbarn zu Hilfe, obwohl sie es mitgekriegt hatten. Ja, da wäre eine Menge Krach gewesen in der letzten Nacht, sagten sie am anderen Tag, mehr nicht. Ich war schließlich nur eine Fremde, obschon ich damals bereits vier Jahre auf der Insel lebte. Ist es noch bequem für dich?«
    »Hmm.«
    »Du bist anders als die üblichen Touristen, die immer dieselben Fragen stellen: Wovon lebst du, hast du Kinder, was macht dein Mann?«
    Genau diese Fragen hatten mir auf der Zunge gelegen. Ich schluckte sie hinunter.
    »Hörst du den Wind, hörst du die Nachtvögel?« fragte sie in verändertem Tonfall.
    »Hmm.« Ich hörte auch das Meer, das hundert Meter tiefer gegen die Steilküste anrannte, und verhielt mich

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