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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Gesicht. »Wenn du solche Einfälle hast, warum spricht dann eigentlich keiner mit dir?«
    »Ich kenne niemanden. Und Sie?«
    »Ich? Ich kenne alle«, sagte sie lustlos.
    »Tatsächlich?«
    »Tatsächlich.«
    »Probe?«
    »Probe.« Sie legte den Kopf schief.
    »Beginnen wir mit dem Gastgeber.«
    »Okay, Hajo Schilling, Stadtrat im Bergischen Land, Elektrogroßhändler und nebenbei Kunstverleger, dadurch kann er seine Flüge nach Formentera und eine Menge anderer Ausgaben, die er auf der Insel hat, von der Steuer absetzen.«
    »Der mit dem Hut?«
    »Jasper Egmonds, Holländer, Marxist, verachtet jeden und haßt Schilling wie die Pest. Wegen eines Arbeitsstipendiums muß er hin und wieder als Nachweis eine größere Skulptur an den Mann bringen, und nur Kapitalisten wie Schilling zahlen für den Unsinn, den er fabriziert, den verlangten Preis.«
    »Die in der zu großen Herrenjacke?«
    »Marianne Ögerli, Schweizerin, fährt Mofa und trägt nur abgelegte Klamotten, obwohl sie eine Million Fränkli geerbt hat; schreibt Gedichte und belästigt die Leute mit ihren Manuskripten.«
    »Das Pärchen an Jaspers Kunstständer.«
    »Elli und Jose Maria. Sie ist Amerikanerin, ihm gehört…«
    »Nein, ich meine die anderen, den Graumelierten und die Blonde.« Ich deutete mit dem Kinn auf Werner Stoll.
    »Nie gesehen; sind wohl Touristen. Jasper lädt alle möglichen Leute ein, nur um sie zu beschimpfen.«
    »Also keine Residenten?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Sicher?« faßte ich nach.
    »Ziemlich sicher. Wieso?« Sie machte ein Gesicht, als hätte ich ihr die Laune verdorben.
    Ich berührte sie mit ausgestrecktem Finger am Bauch. »Und die hier, was ist mit der?«
    »Die kenne ich auch nicht.« Sie drehte sich zur Seite. Das Spiel war zu Ende. Sie trank; ich ging los, um etwas zu essen zu besorgen.
    Neben der Treppe, die aufs Dach führte, stieß ich auf eine Fossiliensammlung: Bärtige in geflickten Jeans und Langhaarige in Afghanenwesten, Frauen mit hennagefärbten Haaren und indischem Schmuck an allen Körperteilen einschließlich Ringen in Augenbrauen und Lippen. Der Gitarrenspieler, den ich ein Stück mitgenommen hatte, war inzwischen auch eingetroffen. Er pumpte an einem Joint von der Größe einer Schultüte.
    »Mann, wenn ich an die Vollmondfeste in den Sechzigern und Siebzigern denke«, sprach er in die Ferne. »Am Südstrand kam die Insel zusammen. Mann, die Bullen brachten Rotwein mit, echten vom Campo, und manchmal sogar Stoff, den sie kurz zuvor beschlagnahmt hatten. Mann, total abgefahren.«
    Er hielt den Qualm in der Lunge, als hinge ein Leben davon ab, stieß ihn aus, hustete sich fast in Stücke und sprach mit verdrehten Augen weiter: »Vorbei, Mann, vorbei. Wer die Insel nicht vor fünfundzwanzig Jahren kannte, weiß null, nada. Früher, ein paar Fische aus dem Meer, Früchte vom Feld, Brot, ‘ne Gitarre – mehr brauchtest du nicht, Mann. Es gab kaum Autos auf der Insel, aber jeder hat dich mitgenommen. Heute, null, nada.« Er mußte sein Klagelied unterbrechen, weil der Joint wieder bei ihm auftauchte.
    Abseits der Fossiliengruppe standen Halbwüchsige, modische Blousons, ausrasierte Nacken, allem Anschein nach handelte es sich um Sprößlinge der grauhaarigen Blumenkinder. Anfangs hatten sie mit Abscheu zugehört, später nur noch mit nachsichtigem Grinsen. Gefühle zu zeigen, das war fast so ätzend wie ausgefranste Schmuddeljeans, lange Haare und Geschichten von Vollmondfesten.
    Ich füllte zwei Teller mit Paella. Eine Frau, der man ansah, daß sie am liebsten Fertiggerichte in die Mikrowelle schob, fragte einen der Paellaköche nach dem Rezept. »Reis mit Safran, viel Gemüse, Tintenfisch, Muscheln und Fleisch von Huhn, Schwein und Kaninchen.«
    »Hm, Kaninchen sehr gut, Paco«, sagte sie.
    »Ja, aber Meerschweinchen noch besser«, warf ein Mann ein, der zuvor mit der Frau diskutiert hatte, ob Kunst denn nur in den Metropolen oder vielmehr in den Randgebieten entstand. »Meerschweinchenfleisch ist ganz süß, meine Liebe, Paco wird es dir gern raussuchen.«
    Der Frau fiel fast das Essen aus dem Mund.
    »Nix Schönheit!« hörte ich Jasper im Hintergrund trompeten. »Fett muß sie sein, aber bitte schön, hinten und vorne. Was heißt hier Po und Busen? Arsch und Titten muß sie haben und eine richtige Speckmöse. Warum? Na, die dürren Pritschen, die frieren doch so schnell im Winter, und ich habe keine Heizung in meinem Arbeitsraum.«
    »Genau, was ich suche«, begeisterte sich jemand neben mir und

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