Der Hundeknochen
Schwarzgeld gebaut, nicht wenige davon stehen in Naturschutzgebieten. Man zahlt eine Strafe, und macht weiter. Wer diese Praktiken anprangert, gilt als Störenfried, denn natürlich trittst du mit deinen Protesten einem Architekten, einem Konstruktionsbüro oder einem Besitzer auf die Füße. Und weil alle auf dieser kleinen Insel miteinander verwandt oder zumindest gut bekannt sind, traut sich keiner aus der Deckung.«
Ich hörte zu und machte Fotos. Auf meinen Wunsch hin bog sie in einen Weg ein, der weiß von Salzkristallen war. Wir fuhren auf eines der typischen Bauernhäuser zu, mit blaßrotem Ziegeldach und blauen Türen, mit einem Kakteenwald zur Nordseite und einem Vordach zum Süden, unter dem eine Katzenmutter mit ihren Jungen spielte. Alles sehr harmonisch, nur der metallicgrüne Jeep Cherokee paßte nicht so recht ins Bild.
Ich legte meine Hand auf ihren Arm. »Weißt du zufällig, wer dort wohnt?«
»Keine Ahnung. Ich kenne nur den Besitzer.«
»Wie meinst du das?«
»Die Finca gehört Professor Baldus, aber der ist nur in den Semesterferien hier. Für den Rest des Jahres vermietet er. Vor fünfundzwanzig Jahren hat er das wunderschöne Bauernhaus für dreißigtausend Mark gekauft, das entspricht den Mieteinnahmen von zwei oder drei Jahren. Natürlich ist das nicht legal, aber wahrscheinlich hat er…«
Ich verstärkte den Druck meiner Hand. »Könnten wir mal kurz zum Bürgermeisteramt fahren?«
Sie legte den Gang ein.
Unterwegs sagte ich ihr, was sie dort fragen sollte, erklärte aber nicht, worum es ging.
»Erzähl mir nur nichts, ich bin ja nur deine Fahrerin«, sagte sie ironisch. Ich beließ es dabei.
Sowohl der graue Gemeindediener als auch der strenge Zivilgardist, dem wir ebenfalls einen Besuch abstatteten, zeigten sich Karla gegenüber zugänglich, ja freundlich. Wir erfuhren von beiden Seiten, daß kein Werner Stoll in der Gemeinde gemeldet war. Wegen des Autokennzeichens mußten wir noch zu einer dritten Stelle. Bei der kommunalen Polizei hörten wir, daß der Jeep einem Sr. Baldus, Karl-Michael gehörte. Der Professor vermietete also Haus nebst Wagen. Und diesem Wagen war ich einen Tag lang nachgefahren.
»Jetzt noch zum Pfarrer?« fragte Karla spitz. »Andere Touristen wollen den größten Feigenbaum, die Tropfsteinhöhle Xeroni, unseren schnuckeligen Inselpuff oder die tollen Strände sehen – aber du bist auf dem Behördentrip.«
Ich riß meinen Blick von ihrem Knie los. »Jetzt eine Telefonzelle, aber eine mit Hörer, und dazu einen Sack Münzen, das brauche ich jetzt.«
»Sonst noch was?« Der Zorn machte sie noch hübscher. In ihren grünen Augen sprühten gelbe Flammen.
23.
»Mit der Ehrlichkeit der Inselbewohner ist es auch nicht mehr so weit her. Früher, ja, früher.«
Ich hatte es mir in der Telefonzelle bequem gemacht und versuchte den Tonfall des Späthippies zu treffen. »Die Insellegende sagt, daß in den Pioniertagen des Tourismus einmal ein Besucher seine Kamera am Strand liegenließ. Natürlich gab er sie verloren. Doch siehe da, als er nach Tagen dieselbe Stelle aufsuchte, fand er seine Kamera aufgehängt an einem der abgestorbenen Bäume, wo die Fischer die Stockfische trocknen, und zwar sorgfältig in einem Plastikbeutel verpackt, um sie vor der feuchten Meeresluft zu schützen. Ja, früher.«
»Sie sind heute so mitteilsam, Mogge«, unterbrach sie mich. »Und Sie sprechen in Rätseln.«
»Ich dachte, ich wäre Ihnen eine Erklärung schuldig, Frau Stoll. Und das Rätsel will ich jetzt lösen. Meine Kamera ist weg. Ob’s nun das Zimmermädchen war oder einer der Hotelgäste, weiß ich nicht. Jedenfalls hat der Dieb auch den letzten Film mitgehen lassen, all die schönen Beweisfotos sind futsch.«
»Und nun?«
»Ich kaufe mir eine neue Kamera und gehe gleich wieder an die Arbeit. Sie wollen Fotos, gute Fotos, und die kriegen Sie, nur, daß es eben zwei oder drei Tage länger dauert. Tut mir leid.«
»Macht nichts«, lenkte meine Klientin ein. »Wenn nur das Material gut ist, ich meine so gut, daß ich Wernerchen knebeln kann.«
»Bis er quiekt«, stimmte ich zu.
Ich stieß die Tür der Telefonzelle auf, die ich vor Karlas Ohren zugezogen hatte. Sie brauchte nicht zu wissen, auf welche Weise ich meinen Aufenthalt auf Formentera verlängerte und wie ich ihn finanzierte. Draußen steckte ich die Hände in die Hosentaschen, klimperte mit den Münzen und grinste das allgegenwärtige Meer an. Südliche Lebensfreude durchströmte meinen
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