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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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ruhig.
    Sie fing an, sich in den Hüften zu bewegen, sanft, kreisend, und ich vergaß die Kälte, die von dem felsigen Untergrund hochstieg. Ihre Bewegungen wurden schneller, ungezügelter. Jäh riß sie die Augen auf, als könnte sie es nicht fassen.
    »Jetzt, jetzt, ich komme, ich komme«, keuchte sie wie nach einem langen Lauf. »Kneif mich, fest, kneif mich. Jetzt! Jetzt!« Dann saß sie steif, mit durchgedrücktem Kreuz, und ich konnte das feine Zucken in ihr spüren.
    Als das Pulsieren verebbt war, ließ sie sich vorwärts sinken. »Ich wußte, daß es schön sein würde mit dir. Für dich auch?«
    »Ja.«
    »Wann fliegst du?«
    »Fliegen? Ach so, in ein paar Tagen«, sagte ich so dahin.
    »Wie, du weißt nicht genau, wann dein Rückflug ist?«
    »Ich hab’s vergessen. Ich weiß nicht mal, wo ich bin.«
    »Im Himmel«, sagte sie und küßte mich auf die Nase. Dann kniete sie sich auf ihre Jeansjacke und putzte mit ihrem Höschen an mir herum. »Wo sonst gibt es solchen Service, he?«
    Sie stand auf, ruckelte ihr Kleid zurecht und half mir hoch. Ich fühlte mich taumelig, von dem kreisenden Lichtrad des Leuchtturms und von der Anstrengung. Laut einer Untersuchung dachten Männer alle acht Minuten an Sex; aber sie dachten eben nur daran, und je älter sie wurden, desto mehr spielte sich alles nur im Kopf ab – und nicht an einer Steilküste.
    »Wären wir mittendrin runtergefallen«, sie lächelte, »kein schlechter Tod, was?«
    Mit der Sicherheit eine Bergziege ging sie voran, ich folgte mit weichen Knien und wurde den Verdacht nicht los, daß sie nicht das erste Mal des Nachts auf dieser Klippe war.
    Wir hatten unsere Fahrzeuge bei einem Gedenkstein abgestellt.
    »Offiziell wurde die Säule von der Gemeinde zu Ehren des Schriftstellers Jules Verne errichtet, in Wirklichkeit aber, damit die Besucher hier oben was zu fotografieren haben und anschließend in dem Dorf El Pilar da hinten was einkaufen«, erklärte sie, während sie den Strahl einer Taschenlampe auf die Bronzeplatte mit der Inschrift richtete.
    »Nach einer kosmischen Katastrophe, die Jules Verne in einem Roman beschreibt, soll von Formentera nur dieser hochgelegene Fleck übrig bleiben. Ein magischer Platz, oder habe ich dir zuviel versprochen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie setzte sich in ihren Mehari und sagte, indem sie den Zündschlüssel drehte: »Wir sehen uns, die Insel ist klein.«
    Ich nickte, stülpte mir den Motorradhelm über.
    Auf der geraden Straße der Hochebene sah ich lange ihre Scheinwerfer im Rückspiegel, doch nach einer Kurve verlor ich sie aus den Augen. In Serpentinen ging es bergab, durch Pinienwälder, die die Wärme des Tages gespeichert hatten, und plötzlich war sie wieder hinter mir. Sie holte auf. Vielleicht hatte sie es sich anders überlegt und wollte unser Wiedersehen doch nicht dem Zufall überlassen. Ich fuhr langsamer.
    Als der Wagen mit mir auf gleicher Höhe war, blickte ich zur Seite. Ich wollte ihr ein Zeichen geben, ließ die Hand dann aber doch am Lenker und bremste instinktiv.
    Aus dem Seitenfenster stieß ein Gegenstand hervor, ein Schlag traf meine Brust, ich hob ab. Noch im Fallen durchzuckte mich der Gedanke, ob das ekelhafte, splitternde Geräusch von meinen Rippen herrührte.

21.
     
     
     
    Der Engel hatte eine leise, verzweifelte Stimme. Er tätschelte meine Wange und fragte: »O Gott, was ist, was ist? Was machst du denn für Sachen?«
    Ich blinzelte, der Engel war sie. Ich beugte meine Arme, die Beine, betastete meine Rippen. Es war eine Art Bestandsaufnahme. Ich lebte, ich lag mit dem Rücken an einem Baum, gebrochen hatte ich mir anscheinend nichts, die Schmerzen von den Schürfwunden würden später einsetzen.
    Sie kniete an meiner Seite, und ich sah die aufgeblendeten Lichter ihres Wagens über mir.
    Zum zweitenmal innerhalb einer Stunde mußte sie mir hochhelfen. Diesmal zitterten meine Knie noch stärker. Ohne die Büsche, die meinen Fall gebremst hatten, läge ich jetzt bei dem Motorrad, dessen Chromteile weit unter mir im Mondlicht glitzerten.
    »Du hattest doch eine Taschenlampe im Wagen, würdest du die bitte holen.«
    »Du könntest abrutschen, laß die Maschine mal da unten liegen«, sagte sie.
    »Ich wollte nach was anderem gucken.«
    Ein paar Meter zurück auf der Straße entdeckte ich eine Bremsspur. Ich suchte weiter und fand ein helles Stück Holz, ein Ende war rund und zersplittert, das andere flach und zersplittert. Ich legte es auf die Rückbank des Mehari.
    Sie sah mich

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