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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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fragend an.
    »Man nehme ein Paddel, überhole einen Motorradfahrer und stoße das Paddel im richtigen Moment zum Seitenfenster hinaus. Ein einfaches, aber wirksames Mittel, und es hinterläßt nicht einmal Spuren am eigenen Fahrzeug.«
    »Was redest du da für wirres Zeug?« Ihre Hände umkrampften das Lenkrad.
    Ich hievte mich auf den Beifahrersitz. »Kein wirres Zeug! Das Rezept für einen Unfall, besonders geeignet für kleine Inseln.«
    »Bist du denn nicht von der Straße abgekommen?«
    »Doch schon. Aber jemand hat nachgeholfen. Ich muß dich jetzt doch etwas Persönliches fragen, auch wenn du das nicht magst«, sagte ich und tippte gegen ihren Ehering. »Ist dein Mann sehr eifersüchtig?«
    »Komische Frage! Nun ja, das ist er schon, wie alle Spanier, obwohl er in Deutschland aufgewachsen ist.«
    Ich drehte ihr Gesicht zu mir, nicht allzu sanft. »Wo ist er jetzt, dein Ehemann?«
    »In Barcelona, mit unseren beiden Kindern bei Verwandten. Meine Güte, du glaubst doch nicht etwa, daß er…«
    Glauben? Ich hieb mit der Faust auf das Armaturenbrett. Langsam hätte ich mal gerne was gewußt.

22.
     
     
     
    Karla holte mich am anderen Morgen vom Hotel ab. In der Nacht hatte sie mir doch noch ihren Namen genannt. Ob sie sich aus Zuneigung oder wegen eines Schuldgefühls um mich kümmerte, war mir nicht klar. Jedenfalls brachte sie mich zu dem einzigen Krankenhaus der Insel, das eigentlich nur eine Unfallstation war. Die Behandlung bestand darin, daß man viel von einer roten Tinktur auftrug und mir einen Verband anlegte.
    Danach fuhren wir zu dem Motorradverleiher, einem Mann mit Pranken und Lederhaut, den Karla noch als Fischer gekannt hatte. Er äußerte sich über die Gefährlichkeit der Inselstraßen und versprach mir, daß er das Motorrad bergen würde, irgendwann. Da es ja am Abhang lag, eilte es mit der Bergung nicht; läge es hingegen am Straßenrand, wäre es eine andere Sache, denn dann würde es in den Augen der Besucher ein schlechtes Bild machen und womöglich das Verleihgeschäft schädigen.
    Als geschäftsschädigend erwies sich Karla, die nicht zuließ, daß ich mir einen Leihwagen nahm; ein Zweirad schied ohnehin aus wegen meines verbundenen Arms. »Ich zeige dir alles«, sagte sie vielversprechend.
    »Dann mal los in Richtung Hafen«, bestimmte ich am Ausgang des Ortes Es Pujols, einer Ansammlung von planlos hingedonnerten Touristenunterkünften, Kneipen und Läden in einer Bucht, die früher sicher traumhaft gewesen war und in der sich heute noch herrlich klares Wasser und feiner Sandstrand fand.
    »Warum lassen die Bewohner zu, daß man ihre Insel so verschandelt?« wollte ich wissen.
    »Sie haben früher, weil der Boden nichts hergab, Hunger gelitten, das machte sie geduldig und auch ein bißchen blind gegenüber den häßlichen Seiten des Tourismus.«
    Kaum hatten wir den Ferienort verlassen, tauchte am Ende der Straße die spiegelglatte Wasserfläche des Salzsees auf, den ich am Vortag umfahren hatte. Jetzt, auf dem Beifahrersitz und ohne die Sorge, Werner Stoll aus den Augen zu verlieren, konnte ich mit Muße die Landschaft betrachten. Weingärten und Äcker mit frisch gepflügter roter Erde wechselten mit Brachfeldern, auf denen Wildblumen, Wacholder und Mastixbüsche wuchsen. Wie Pfeile schossen zebragestreifte Wiedehopfe über das Land. Karla machte mich auf ein haushohes Schöpfrad aufmerksam, das früher das Wasser aus dem Salzsee in die Salinenbecken befördert hatte, und auf hölzerne Schieber, die zum Fluten der Salinen geöffnet wurden.
    »Den Rest besorgte die Sonne«, erklärte sie mir. »Das Wasser verdunstete, Salz lagerte sich ab und ließ die flachen Salzbecken in den schönsten Farbabstufungen von Rosa bis Ocker und Violett schimmern.«
    Vor dem Ansturm der Touristen war die Salzgewinnung, wie ich erfuhr, die Haupteinnahmequelle der Insel gewesen, und zwar seit Zeiten der Phönizier. Wie war das noch mal gewesen mit den Karthagern, Phöniziern und Puniern, und vor allem, wann?
    »Nun streiten sich Umweltschützer und Spekulanten um dieses Gebiet, zu dem Pinienwälder, Dünen und Strände gehören. Dabei geht es, angeblich, um die Schaffung von Arbeitsplätzen.«
    »Wie immer, und Spekulanten gibt es überall.«
    »Aber hier lebe ich.«
    Sie machte mit ihrer Hand eine kreisende Bewegung über den Horizont. »Siehst du die weißen Punkte zwischen den Pinien und die dort hinten, halb versteckt hinter Dünen und Trockenmauern? Die Hälfte all dieser Ferienhäuser wurde mit

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