Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
unten sind.« Ihre Stimme klang wie eine gespannte Stahlsaite. Ich sah sie einen Ausfallschritt machen und mit angewinkelten Armen in Kampfstellung gehen.
    Da half nur der sanfte Weg. »O ja doch. Die zweite Fotoserie ist nun im Kasten, Sie werden Augen machen. So viel schon mal: Ihr lieber Werner hat beträchtliche Einnahmen, die er allerdings auf eine Stiftung in Liechtenstein überweisen läßt. Mal sehen, wie wir da weiterkommen. Mein Rückflug ist gebucht. Ich könnte morgen direkt vom Flughafen aus bei Ihnen zu Hause vorbeikommen. Wenn Sie mir kurz Ihre Adresse…«
    »Nun, so eilig ist es auch wieder nicht. Stellen Sie ruhig vorher den Koffer ab. Ich komme in Ihr Büro, gegen Abend.«
    »Schön. Dann also morgen ab 19 Uhr. Dann habe ich noch Zeit, mich…«
    Jemand tippte an meine Büroklingel, und ich hängte schnell ein. Das Geräusch paßte nicht zu meiner Hintergrundkassette.
    Die Tür ging auf, und Kurts Pfeife kam um die Ecke, dann sein Bauch, dann der übrige Körper.
    Zu den Geschäftsstunden ließ ich die Haustür offen, und die Geschäftsstunden gingen bei mir praktisch, bis ich mich ins Bett legte. Mit dieser Aktion offene Tür wollte ich meinen Kunden die Schwellenangst nehmen. Idee und Ausdrucksweise stammten von meinem einzigen Nachbarn, Kai Rettinghaus, einem Werbemann, der im Erdgeschoß eine altmodische Reprokamera und noch ältere Druckmaschinen aufgestellt hatte. Seine Argumente hatten mich überzeugt. Die offene Tür ersparte es mir, mich vom Schreibtisch zu erheben und nachzufragen; demgegenüber war eine verschlossene Tür noch nie ein sicheres Mittel gewesen, um unerwünschte Besucher abzuhalten.
    Kurt war natürlich ein willkommener Gast. Er beäugte das Etikett der Flasche, die ich vor ihm hinstellte. Es besagte, daß es sich bei dem Inhalt um Kognak handelte, der von Mallorca stammte und fünfundzwanzig Jahre alt war. »Ich habe das Geschenkpapier weggelassen. Aufmachen?«
    »Und dann?« fragte er mißtrauisch.
    »Nach dem ersten Glas zeige ich dir was.«
    »Dachte ich’s mir doch.«
    Ich zog den Korken aus der Flasche, schenkte ein. Kurt schwenkte das Glas, schnupperte an der Blume, trank, kaute, horchte auf Signale, die seine Geschmacksnerven aussandten, und entspannte sich. Die steile Falte zwischen seinen Polizistenaugen glättete sich. Als er das Glas auf dem Schreibtisch abstellte, legte ich das Stück Paddel daneben. Ich wußte, daß er eine Erklärung dazu erwartete, aber dann hätte ich ziemlich weit ausholen müssen.
    Er kam auch von selbst drauf. »Labor?« fragte er leise.
    Ich schwieg. Das war keine Frage, auf die ich zu antworten hatte, das war eine Feststellung.
    »Elmar, du verwechselst doch nicht zufällig ein kriminaltechnisches Labor mit einem Platz für Sperrmüll?« fragte er, jetzt halblaut.
    Auch darauf brauchte ich noch nicht zu antworten. Die Walze nahm ja erst Fahrt auf.
    »Du glaubst doch nicht, daß besagtes Labor eine Art Affenkäfig ist, wo man nach Lust und Laune durch eine Klappe Bananen schieben kann, die dann von den Insassen mit Freuden empfangen werden; von Insassen, die keine Fragen stellen, die keine Berichte machen müssen, die keine Verantwortung gegenüber irgendwelchen Vorgesetzten und letztlich gegenüber dem Steuerzahler haben, der dieses Spielzeug finanziert? Das glaubst du doch nicht, oder?«
    »Nein«, sagte ich schlicht.
    Kurt walzte über mein Nein hinweg. »Irgendwann hat dir der Laden, in dem du beschäftigt warst und in dem ich immer noch meine Brötchen verdiene, gestunken. Du hast dir damals gesagt, ich will keine Vorgesetzten, ich will meine Zeit selbst einteilen, ich will keine Routine, ich will mir die Fälle selbst aussuchen. Diesen Riesenscheißapparat mit seinen Computern und Listen und Zwängen und Dienstwegen, den brauche ich nicht, hast du gesagt. Habe ich recht?«
    »Ja«, sagte ich schlicht, aber ich bezweifelte, ob Kurt mein schlichtes Ja überhaupt gehört hatte. Er war jetzt voll in Fahrt.
    »Ich, Hauptbulle Heisterkamp, bin immer noch in diesem Laden, wie gesagt, und ich werde wohl auch bis zur Pensionierung darin bleiben, weil ich eine Frau und Kinder und so etwas wie Verantwortungsgefühl habe. Einen Freund habe ich auch noch, der aber lebt in den Tag hinein, fährt spontan ans Mittelmeer, bräunt sich den Arsch unter Palmen, kommt zurück und nimmt meine Hilfe in Anspruch und die des Riesenscheißapparats, den er verabscheut.«
    »Das machen wir doch alle, Kurt, auf den Riesenscheißapparat schimpfen und ihn doch

Weitere Kostenlose Bücher