Der Hundeknochen
voller Größe und höchstselbst anzumelden, wurde ihr Gesicht zu Stein. Herrn Salm sprechen – ohne Anmeldung, nein! Sie wollte nicht einmal mit einem Knopfdruck die Verbindung zum Chefzimmer herstellen.
Ich ging um die Barriere herum und pochte kräftig an die, wie ich spürte, gepolsterte Tür und rief meinen Namen. Daraufhin summte es auf dem Schreibtisch, und Salms Stimme befahl dem Vorzimmerdrachen, den Weg freizugeben.
Der Raum war mit Stahlmöbeln ausgestattet, für die holzgetäfelten Wände hatte ein Tropenriese sein Leben lassen müssen. Eine Fotoserie, die etappenweise einen einstürzenden Wolkenkratzer zeigte, war zu einem Bild zusammengefaßt, das die Wand hinter dem Schreibtisch zur Hälfte ausfüllte. Es konnte sich sowohl um Anschauungsmaterial als auch um ein Kunstwerk von Andy Warhol handeln.
Salms Freude, mich zu sehen, schien ehrlich zu sein. Er brachte mich zu einer Ledersitzgruppe. »Gehst mit Schwung ran, wie ich am Schnauben von Frau Schubert feststellen konnte; eine ausgezeichnete Kraft, unsere Frau Schubert.« Er schmunzelte. »Ich weiß, das sagt man von allen Untergebenen, die ausschließlich das Interesse ihres Vorgesetzten wahrnehmen.«
Ich fragte ihn, ob Frau Schubert mir wohl die Liste der Angestellten zur Einsicht geben würde?
»Freiwillig nie. Aber ich werde ihr sagen, du dürftest dich hier wie zu Hause bewegen. Glaubst du denn, daß tatsächlich ein Firmenangehöriger was mit dem Anschlag zu tun hat?«
»Als Helfer vielleicht.«
Salms Lächeln gefror.
Er gab Frau Schubert die Anweisung, eine Liste der Angestellten und Arbeiter anzufertigen, mit Einstellungsdatum und Art der Beschäftigung. Sie schaute so freundlich wie ein Kettenhund, den man überreden wollte, seinen Knochen abzugeben.
Wir blickten in das Großraumbüro, wo drei Schreibtische und ebenso viele Zeichenbretter in lockerer Anordnung standen. Salm wies auf einen Mann mit Bürstenhaarschnitt und Tweedjacket. »Er wird meine Stelle im Außendienst übernehmen, während ich mich mehr um den Kram hier drinnen kümmere. Das ist jetzt der Platz, wo ich gebraucht werde.«
Auf dem Weg zurück in sein Büro, reichte Frau Schubert ihrem Chef wortlos einen Ausdruck. Es war die gewünschte Aufstellung der Firmenangehörigen.
Ich überflog die Namen. »Horst Gehrke, Kranführer, wer hat ihn eingestellt?«
»Wahrscheinlich Pollex, vielleicht auch die Schubert. Soll ich mal fragen?«
Ich winkte ab. »Wie lief das im allgemeinen mit den Einstellungen?«
»Keine feste Regel. Mal suchten wir Leute über Anzeigen, hin und wieder empfahl einer der Mitarbeiter einen Neuen, oder das Arbeitsamt schickte jemanden vorbei. Wenn wir in Druck waren, haben wir uns auch schon mal selbst ans Arbeitsamt gewandt.«
»Und wenn beispielsweise jemand durch Krankheit ausfiel?«
»Kommt drauf an. War’s eine Hilfskraft, haben wir uns jemanden bei der Hauruckkolonne ausgesucht, Tagelöhner, die auch im Hafen aushelfen. War’s ein Facharbeiter, haben wir von einem Vermittler eine Leihkraft angefordert.«
»Demnach wäre es auch nicht schwer gewesen, jemanden für Stunden oder wenige Tage einzuschleusen.« Ich steckte die Liste ein. »Die Aushilfen stehen nicht hier drin, und wie ich Frau Schubert einschätze, dauert es etwas länger, die herauszusuchen.«
»Sie kann stur sein, stimmt.«
Ich hielt ihm das Foto von Dieter Prats unter die Nase. »Hast du den mal auf einer Baustelle gesehen?«
Er wiegte den Kopf, entschied sich: »Nein.«
»Und den?«
Bei den Aufnahmen von Werner Stoll war er sich sofort sicher. »Bestimmt nicht. Was sind das für Figuren?« fragte er wie einer, der sich nur aus Höflichkeit erkundigt, und wischte mit dem Daumen über ein Blatt der Zimmerlinde, die neben seinem Schreibtisch stand.
»Jemand in der Firma ist übereifrig«, sagte ich. Als Salm die Stirn runzelte, fuhr ich fort: »Die Pflanze kriegt zuviel Wasser, schau dir die gelben Blätter an, zuviel Pflege ist schlimmer als zuwenig.«
»Zu mir wird sie nicht so oft hereinkommen« – er kniff mir ein Auge – »zum Blumengießen.« Es war ein Stichwort, er wollte über Pollex sprechen, doch ich ließ ihn zappeln. Er durchschritt den Raum, als nähme er Maß für neue Auslegware. »Überhaupt werde ich es nicht leicht haben auf seinem Stuhl.«
Ich reagierte noch immer nicht.
»Bei deinen Nachforschungen wirst du erfahren, daß Pollex’ Ehe hinten und vorne nicht gestimmt hat. Vielleicht weil er zuwenig Zeit für sie hatte, vielleicht weil sie
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