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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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dafür lohnt sich der Aufwand, einen Killer zu bestellen, eigentlich nicht. Das Motiv fehlt mir also noch. Doch wie es abgelaufen ist, kann ich mir schon denken.
    Horst Gehrke, der Kranführer, wurde von seinem Arbeitsplatz weggelockt; angeblich war seiner Frau etwas passiert. Während Gehrke also mit einem Anruf aus dem Krankenhaus beschäftigt war, ist ein Fremder auf seinen Kran gestiegen und hat den Mörder durch das offene Dach in die oberste Etage befördert.«
    »Was hat dich denn darauf gebracht?«
    »Verschiedene Einzelheiten, darunter auch die Aussage, daß der Verunglückte, bevor es mit ihm im Krankenhaus zu Ende ging, vom Himmel gesprochen hat, obwohl er kein religiöser Mensch war.«
    »Wie soll das denn vonstatten gegangen sein?«
    »Ich stelle mir vor, daß der Mörder Wieczorek in den Tod getrieben hat. Das würde auch erklären, warum die Arbeiter keinen Fremden gesehen haben, der die Baustelle betreten hat.«
    »Na, ich weiß nicht. Hast du denn Beweise für deine Theorie?«
    Die Fotos fielen mir ein, ich sagte aber nur: »Bis jetzt noch nicht. Hätte ich die Beweise, könnte ich dafür sorgen, daß die ganze Bande auffliegt, und du wärst deine Sorgen los.«
    »Wie lange kann das denn noch dauern, mit den Beweismitteln und so?«
    Ich fragte Salm, ob ich mit den Nachforschungen aufhören solle.
    »Warum?«
    »Nun, es kostet dich Geld und führt unter Umständen zu nichts.«
    Seine Antwort kam ohne Zögern. »Nein, nein, bleib dran! Die Killer sollen wissen, daß da jemand bohrt; allein das gibt mir schon ein Gefühl der Sicherheit.« Er stieß ein schnaufendes Geräusch aus. »Vielleicht lassen sie dann nach einer Weile sogar ganz von mir ab. Du selbst hast mir gesagt, das seien Geschäftsleute; und wenn das Risiko zu groß ist, nehmen kluge Geschäftsleute Abstand von ihrem Vorhaben. Du bist für sie das erhöhte Risiko, Elmar.«
    »Danke.«
    Wieder ließ er ein verunglücktes Lachen hören. »Ich habe schon mal daran gedacht, nach Südamerika abzuhauen. Ein Diktator da unten hat jedem Deutschen, der bereit ist, den Boden zu bearbeiten, ein Stück Land versprochen. Was die für eine Meinung von uns haben, deutsche Autos, deutsche Schäferhunde, deutsche Bauern. Tja, Paranüsse anbauen, das macht nicht viel Arbeit. Lustig, was?«
    »Ja, sehr.«
    »Ist Blödsinn, ich weiß. Verzeih, Schlömm, aber ich rede mit kaum einem Menschen außerhalb der Firma. Das Büro, das Hotelzimmer, mehr nicht, das ist ein halbes Gefangenenleben. Doch ich halte durch«, sagte er bedrückt. Er änderte den Tonfall, wurde geschäftsmäßig. »Den Scheck für eine weitere Woche Honorar schicke ich dir zu. Ruf mich wieder an, bitte, ich fühle mich verdammt einsam.«
    »Besuchen kann ich dich nicht, sonst fliegt dein Unterschlupf noch auf.«
    »Ich weiß.« Er machte eine Pause. Es war als wollte er mir noch etwas sagen. Bevor die Pause zu lang und peinlich wurde, sagte ich: »Bis morgen, Fitti.«
    »Bis morgen, Schlömm.«
    Ganz bewußt hatte ich seinen alten Spitznamen genannt. Er tat mir leid. Angst zu haben, ist schlimm. Das konnte ich nachfühlen, denn es passierte mir ja auch hin und wieder. Doch zum Glück kannte ich ein gutes Mittel dagegen: Ich wurde frech und ging zum Angriff über.

44.
     
     
     
    Sollten sie mir doch folgen. Diese Spur war alt, aber nicht so alt, daß sie es gleich rochen. Die Brocken, die ich ihnen hiermit vor die Füße warf, würden sie eine Woche lang beschäftigen, und das war so die Zeitspanne, die ich in etwa brauchte.
    Das Eckstübchen hatte jene Gemütlichkeit, die mir Gänsehaut verursachte. Schummriges Licht, tiefgehängte Decke, Wandregale mit Gläsern, dazwischen Fußballwimpel, ein Reliefbild vom Corner See, angepinnte Ansichtskarten und Krimskram, den Getränkefirmen an die Wirte verschenkten wie etwa eine hölzerne Kanone mit einer Weinbrandflasche als Rohr.
    Ich sehnte mich nach der Kargheit einer südländischen Pinte, mit nichts als einem Kalenderblatt an den gekalkten Wänden, wo der Duft von erhitztem Olivenöl aus der Küche dringt, weil es dort jederzeit frisch zubereitete Tapas gibt: Hammelnierchen und gebratene Sardinen, Stockfisch in Tomatensoße, kleine Tintenfische mit Kartoffeln und Paprika, Schnecken in scharfer Tunke, die ohne Getue mit dem Zahnstocher gegessen werden. Natürlich läuft in irgendeiner Ecke der Fernsehapparat, aber keiner guckt hin. Die Männer sitzen mit dem Rücken zur Wand auf niedrigen Stühlen, lassen Zigarettenkippen von einem Mundwinkel zum

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