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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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Sie etwa, dass Sie , ein Repräsentant des Faschismus, des ekelhaften amerikanischen Kapitalismus, sämtlicher Dinge, die Stalin auf dieser Erde so abgrundtief verachtet, glauben Sie, dass Sie, Sie , in den Kreml kommen können, in den Kreml , um mit Stalin zu feilschen, mit Stalin zu feilschen? «
    »Warum sagen Sie denn alles zweimal?«, wollte Allan wissen, doch Stalin fuhr fort:
    »Merken Sie sich eines: Die Sowjetunion ist bereit, wieder in den Kampf zu ziehen! Es wird Krieg geben, es wird unausweichlich Krieg geben, bis der amerikanische Imperialismus vernichtet ist.«
    »Ach ja, meinen Sie wirklich?«, sagte Allan.
    »Um zu kämpfen und zu gewinnen, brauchen wir Ihre verdammte Atombombe nicht! Was wir brauchen, sind sozialistische Seelen und Herzen ! Wer fühlt, dass er niemals besiegt werden kann, der kann auch niemals besiegt werden!«
    »Solange keiner eine Atombombe über ihm abwirft«, entgegnete Allan.
    »Ich werde den Kapitalismus zerschmettern! Hören Sie? Ich werde jeden einzelnen Kapitalisten zerschmettern! Und mit Ihnen werde ich gleich anfangen, Sie elender Hund, wenn Sie uns mit der Bombe nicht helfen!«
    Allan stellte fest, dass er innerhalb einer Minute sowohl als Ratte als auch als Hund tituliert worden war. Und dass Stalin wohl nicht alle Tassen im Schrank hatte, denn jetzt hatte er offenbar doch noch vor, Allans Dienste in Anspruch zu nehmen.
    Doch der hatte keine Lust, sich weitere Unverschämtheiten an den Kopf werfen zu lassen. Er war nach Moskau gekommen, um den Leuten zu helfen, nicht, um sich anschreien zu lassen. Sollte Stalin doch zusehen, wie er alleine zurechtkam.
    »Ich hab mir da gerade was überlegt«, verkündete Allan.
    »Was?«, fuhr Stalin ihn an.
    »Wie wär’s, wenn Sie sich mal diesen Schnurrbart abrasieren?«
    Damit war das Abendessen beendet, denn der Dolmetscher wurde ohnmächtig.
    * * * *
    In aller Eile wurden die Pläne geändert. Allan wurde nie in die feinste Gästewohnung des Kreml einquartiert, sondern in eine fensterlose Zelle im Keller der russischen Geheimpolizei. Genosse Stalin hatte zum Schluss entschieden, dass die Sowjetunion entweder durch die eigenen Experten an die Formel für die Atombombe kommen musste oder durch ehrenwerte Spionage. Weitere Westler würde man nicht entführen, und man würde auch definitiv nicht mehr mit Kapitalisten oder Faschisten oder beiden feilschen.
    Julij war zutiefst unglücklich. Nicht nur, weil er den netten Allan in die Sowjetunion gelockt hatte, wo ihn jetzt mit Sicherheit der Tod erwartete, sondern auch, weil Genosse Stalin solche charakterlichen Mängel gezeigt hatte! Der große Führer war intelligent, ein guter Tänzer, er verfügte über Allgemeinbildung und eine schöne Singstimme. Und dann war er völlig wahnsinnig! Allan hatte nur zufällig den falschen Dichter zitiert, und binnen Sekunden hatte sich ein gemütliches Abendessen in … eine Katastrophe verwandelt!
    Unter Gefahr für sein eigenes Leben versuchte Julij vorsichtig, ganz vorsichtig mit Marschall Berija über Allans bevorstehende Hinrichtung zu reden und inwieweit es da nicht doch eine Alternative geben könnte.
    Doch da hatte er sich im Marschall getäuscht. Der verging sich zwar an Frauen wie Kindern, ließ Schuldige wie Unschuldige foltern und hinrichten, tat zwar solche schrecklichen Dinge und noch viel mehr … aber so abstoßend seine Methoden auch sein mochten, er arbeitete zielstrebig immer nur für das Beste der Sowjetunion.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Julij Borissowitsch, Herr Karlsson wird nicht sterben. Jedenfalls noch nicht.«
    Marschall Berija erklärte, dass er vorhabe, Allan Karlsson als Trumpf im Ärmel zu behalten, für den Fall, dass Julij Borissowitsch und seine Forscherkollegen weiter an der Entwicklung der Bombe scheiterten – was man langfristig nicht hinnehmen würde. Der Marschall war sehr zufrieden damit, wie geschickt er eine Drohung in diese Erklärung verpackt hatte.
    * * * *
    Während er auf seinen Prozess wartete, saß Allan also in einer der vielen Zellen der Geheimpolizei. Das Einzige, was in seinem Leben passierte – abgesehen von gar nichts – war, dass man ihm täglich ein Stück Brot, dreißig Gramm Zucker und drei warme Gerichte brachte (Gemüsesuppe, Gemüsesuppe und Gemüsesuppe).
    Das Essen im Kreml war zwar besser gewesen als das im Gefängnis. Doch Allan fand, wenn auch die Suppe eher schmeckte, konnte er sie zumindest in Ruhe genießen, ohne dass sich jemand vor ihm aufbaute und ihn aus

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