Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
Konkurrent Wahlbetrug, doch ein Gericht schmetterte die Klage ab und drohte dem unterlegenen Kandidaten mit ernsthaften Konsequenzen, wenn er die neue Gouverneurin Frau Einstein weiter verleumden wolle. Kurz vor der Urteilsverkündung hatten sich Amanda und der vorsitzende Richter übrigens auf ein Tässchen Tee getroffen.
* * * *
Während Amanda Einstein langsam, aber sicher die Insel übernahm und ihr Mann Herbert den Leuten das Autofahren beibrachte (ohne sich selbst öfter als unbedingt nötig hinters Steuer zu setzen), saß Allan mit einem Drink in seinem Liegestuhl am Wasser. Seit Amanda aufgehört hatte, die Touristen zu bedienen, bekam er meistens genau das, was er bestellt hatte.
Wenn er nicht gerade dort saß und trank, blätterte er in den internationalen Zeitungen, die er abonniert hatte, aß, wenn er Hunger hatte, und wenn ihm das alles zu hektisch wurde, hielt er ein Mittagsschläfchen auf seinem Zimmer.
Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate, aus Monaten Jahre – ohne dass Allan seiner Ferien überdrüssig wurde. Nach anderthalb Jahrzehnten hatte er außerdem immer noch einen Riesenhaufen Dollahs übrig. Das war einerseits darauf zurückzuführen, dass es von vornherein eben ein Riesenhaufen gewesen war, aber auch darauf, dass das betreffende Hotel seit einer Weile Amanda und Herbert Einstein gehörte und sie Allan sofort zum Ehrengast erklärt hatten.
Inzwischen war Allan dreiundsechzig Jahre alt und bewegte sich immer noch nicht mehr als unbedingt notwendig. Amanda feierte unterdessen immer größere politische Erfolge. Sie war beliebt bei der breiten Masse. Das zeigte sich in diversen Untersuchungen, die das Institut für Statistik durchführte, welches ihre Schwester besaß und leitete. Bali wurde von einer Menschenrechtsorganisation als die am wenigsten korrupte Region des Landes bezeichnet. Das wiederum beruhte darauf, dass Amanda den gesamten Vorstand dieser Organisation geschmiert hatte, aber sei’s drum.
Dennoch war der Kampf gegen die Korruption einer der drei Hauptpunkte, den sich Amanda bei ihrer politischen Arbeit auf die Fahnen geschrieben hatte. Vor allem führte sie Anti-Korruptionsunterricht an Balis Schulen ein. Ein Rektor in Denpasar protestierte zunächst, denn er meinte, das Ganze könnte den genau entgegengesetzten Effekt haben. Da machte Amanda ihn einfach zum Präsidenten der Schulbehörde und verdoppelte sein Gehalt, und damit war diese Angelegenheit auch erledigt.
Ihr zweites Anliegen war der Kampf gegen den Kommunismus. Der äußerte sich vor allem darin, dass sie kurz vor ihrer ersten Wiederwahl für ein Verbot der kommunistischen Partei auf Bali sorgte. Die wurde nämlich langsam größer, als für Amanda gut war. Auf diese Weise kam sie auch mit einem wesentlich geringeren Wahlkampfbudget aus.
Beim dritten Punkt hatte sich Amanda von Herbert und Allan helfen lassen. Von diesen beiden erfuhr sie nämlich, dass es in vielen Gegenden der Welt überhaupt nicht normal war, das ganze Jahr über dreißig Grad zu haben. Vor allem im sogenannten Europa war es wohl besonders kühl, vor allem ganz im Norden, wo Allan herkam. Das brachte Amanda auf die Idee, dass es auf der Welt doch jede Menge steif gefrorene Reiche geben musste, die man alle dazu ermuntern konnte, sich auf Bali auftauen zu lassen. Und so regte sie die Entwicklung des Fremdenverkehrs an, indem sie Baugenehmigungen für eine ganze Reihe von Luxushotels erteilte. Auf Grundstücken, die sie vorher selbst erworben hatte.
Ansonsten kümmerte sie sich auch nach bestem Wissen und Gewissen um ihre Lieben. Vater, Mutter, Schwestern, Onkel, Tanten und Cousinen bekamen alle wichtige, lukrative Positionen in der balinesischen Gesellschaft. Das führte dazu, dass Amanda nicht weniger als zweimal wiedergewählt wurde. Beim zweiten Mal ging die Anzahl der Stimmen und der Stimmberechtigten sogar glatt auf.
Im Laufe der Jahre schenkte Amanda auch zwei Söhnen das Leben: zuerst Allan Einstein (denn Herbert hatte Allan ja so gut wie alles zu verdanken), gefolgt von Mao Einstein (weil dieser Riesenhaufen Dollahs ihnen so viel genützt hatte).
Doch dann wurde es ihr eines Tages alles zu viel. Es begann mit dem Ausbruch des dreitausend Meter hohen Vulkans Gunung Agung. Die unmittelbare Folge für Allan, der sich gerade in siebzig Kilometern Entfernung aufhielt, war, dass die Aschewolke die Sonne verdunkelte. Für andere war es schon schlimmer. Tausende von Menschen kamen ums Leben, noch mehr mussten von der Insel
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