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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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Popow hatte ab 1949 eine steile Karriere hingelegt. Es war gut möglich, dass er den ersten Impuls den Informationen zu verdanken hatte, die ihm Allan Karlsson gegeben hatte. Im Grunde war es sogar sehr wahrscheinlich. Inzwischen war Popow dreiundsechzig Jahre alt und technischer Leiter des sowjetischen Atomwaffenarsenals. Damit verfügte er also über Informationen, die für die USA von geradezu unschätzbarem Wert waren.
    Wenn die USA in Erfahrung bringen konnten, was Popow wusste, und sich so bestätigen lassen, dass der Westen dem Osten in puncto Kernwaffen überlegen war – dann könnte Präsident Johnson die Initiative zu einer beiderseitigen Abrüstung ergreifen. Und der Weg zu diesen Informationen führte über – Allan Karlsson.
    »Wollen Sie Karlsson als amerikanischen Agenten anwerben?«, fragte Präsident Johnson, während er überlegte, dass so ein bisschen Abrüstung seinen Ruf in der Nachwelt bestimmt auf Vordermann bringen würde, mit oder ohne diesen verdammten Krieg in Vietnam.
    »Genau«, sagte der geheime Hutton.
    »Und warum sollte Karlsson darauf eingehen?«
    »Tja … weil er … so aussieht, als wäre er der Typ für so was. Außerdem hat er Ihnen ja vor einer Weile noch selbst seine Hilfe angeboten.«
    »Ja«, nickte Präsident Johnson, »das stimmt allerdings.«
    Dann schwieg er wieder eine Weile. Und dann noch eine Weile. Schließlich meinte er:
    »Ich glaube, ich brauch noch einen Drink.«
    * * * *
    Die zunächst knallharte Linie der französischen Regierung gegen die Unmutsbekundungen der Bevölkerung führte tatsächlich dazu, dass die ganze Nation lahmgelegt war. Millionen Franzosen traten in Streik. Der Hafen in Marseille war geschlossen, die internationalen Flughäfen ebenfalls, genauso wie das Eisenbahnnetz und eine Reihe von Kaufhäusern.
    Die Treibstoffversorgung kam zum Erliegen, nichts wurde mehr gereinigt. Und von allen Seiten regnete es Forderungen. Nach höheren Löhnen natürlich. Und kürzeren Arbeitszeiten. Und sichereren Arbeitsverträgen. Und größerem Einfluss.
    Doch obendrein forderte man auch noch ein neues Ausbildungswesen. Und eine neue Gesellschaft. Die Fünfte Republik war bedroht.
    Hunderttausende von Franzosen demonstrierten, und nicht immer ging es dabei friedlich zu. Autos wurden in Brand gesteckt, Bäume gefällt, Straßen aufgerissen, Barrikaden gebaut … überall Gendarmerie, Eingreiftrupps, Tränengas und Schilder …
    Da vollzogen der französische Präsident, der Premierminister und sein Kabinett eine Hundertachtziggradwende. Innenminister Fouchets besonders wohlinformierter Mitarbeiter hatte keinen Einfluss mehr (den hatte man in aller Stille in eine Zelle des Sicherheitsdienstes verbracht, und er hatte größte Schwierigkeiten, plausibel zu erklären, warum in seiner Badezimmerwaage ein Funksender installiert war). Den im Generalstreik befindlichen Arbeitern bot man plötzlich eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns an, eine generelle zehnprozentige Erhöhung der Löhne, eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden, höhere Zuschüsse für Familien, eine Stärkung der gewerkschaftlichen Macht, Verhandlungen zu umfassenden Tarifverträgen und Indexlöhne. Außerdem mussten ein paar Minister ihren Hut nehmen, unter anderem Innenminister Christian Fouchet.
    Mit all diesen Maßnahmen konnten die Regierung und der Präsident die revolutionärste Stimmung erst einmal beschwichtigen. Für eine weitere Zuspitzung der Umstände gab es keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Die Arbeiter kehrten in die Fabriken zurück, die besetzten Häuser wurden geräumt, die Geschäfte öffneten wieder, der Transport funktionierte wieder. Der Mai 1968 war in den Juni übergegangen, und die Fünfte Republik hatte immer noch Bestand.
    Präsident Charles de Gaulle rief höchstpersönlich in der indonesischen Botschaft an und verlangte Herrn Allan Karlsson, um ihm einen Orden zu verleihen. Doch man teilte ihm nur mit, dass Karlsson nicht mehr für sie arbeite, und niemand, nicht einmal die Frau Botschafterin selbst, wusste zu sagen, wohin er verschwunden war.

24. KAPITEL
Donnerstag, 26. Mai 2005
    Für Staatsanwalt Ranelid galt es nun, alles an die Rettung seiner Karriere und seiner Ehre zu setzen. Getreu dem Motto »vorbeugen ist besser als heilen« beraumte er gleich für denselben Nachmittag noch eine Pressekonferenz an, um mitzuteilen, dass er im Fall des verschwundenen Hundertjährigen gerade den Haftbefehl gegen die drei Männer und die Frau aufgehoben

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