Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
habe.
Staatsanwalt Ranelid mochte sich ja auf einiges verstehen, aber eigene Irrtümer zuzugeben, gehörte nicht zu seinen Stärken. Daher fiel die Einleitung der in aller Eile einberufenen Pressekonferenz so aus, wie sie ausfiel. Der Staatsanwalt legte auf verschlungenen Pfaden dar, dass Allan Karlsson und seine Freunde zwar nicht mehr verhaftet waren (man habe sie übrigens heute Vormittag in Västergötland aufgespürt), aber irgendwie waren sie trotzdem schuldig, der Staatsanwalt habe also alles ganz richtig gemacht. Nur die Beweise hätten ihren Charakter minimal verändert, sodass die Haftbefehle bis auf Weiteres nicht mehr gültig seien.
Die Vertreter der Presse fragten natürlich, inwiefern die Beweise denn ihren Charakter geändert hätten, worauf Staatsanwalt Ranelid detailliert die Informationen wiedergab, die das Außenministerium zu Bylunds und Hulténs jeweiligem Schicksal in Dschibuti und Riga übermittelt hatte. Zu guter Letzt rundete Ranelid seine Ausführungen mit der Bemerkung ab, die Gesetze verlangten eben manchmal, dass ein Haftbefehl aufgehoben werde, auch wenn das in manchen Fällen wirklich unschön sei.
Staatsanwalt Ranelid spürte selbst, dass die Anwesenden das nicht so schluckten, wie er es sich gewünscht hätte. Und dieses Gefühl wurde ihm prompt bestätigt, als ein Vertreter der Dagens Nyheter ihn über seine Lesebrille hinweg ansah und einen Monolog vom Stapel ließ, der eine Reihe von Fragen enthielt, die dem Staatsanwalt äußerst unangenehm waren.
»Habe ich das richtig verstanden, dass Sie trotz der veränderten Umstände immer noch der Meinung sind, dass Allan Karlsson des Mordes oder des Totschlags schuldig ist? Glauben Sie also, dass Allan Karlsson (der wie gesagt hundert Jahre alt ist) den zweiunddreißigjährigen Bengt Bylund gezwungen hat, mit ihm nach Dschibuti am Horn von Afrika zu fahren, wo er Bylund – aber sich selbst natürlich nicht – gestern Nachmittag in die Luft sprengte, um dann in aller Eile nach Västergötland zurückzufahren, wo er – gemäß Ihren gerade gemachten Angaben – heute Vormittag aufgespürt wurde? Abgesehen von allen anderen Fragen: Können Sie erklären, was für ein Transportmittel Karlsson benutzt haben soll? Soviel ich weiß, gibt es nämlich immer noch keine Direktflüge von Dschibuti in die Västergötland-Ebene. Und Allan Karlsson besitzt angeblich ja nicht mal einen gültigen Pass …?«
Staatsanwalt Ranelid atmete tief durch. Dann erklärte er, man müsse ihn missverstanden haben. Es könne nicht den geringsten Zweifel daran geben, dass Allan Karlsson, Julius Jonsson, Benny Ljungberg und Gunilla Björklund unschuldig im Sinne der Anklage waren.
»Wie gesagt, nicht den geringsten Zweifel «, wiederholte Ranelid, der sich in letzter Sekunde herausgeredet hatte und sich jetzt erst mal ganz klein machte.
Doch damit wollten sich die verdammten Journalisten nicht zufriedengeben.
»Sie haben vorhin einigermaßen detailliert den zeitlichen Ablauf und die geografischen Umstände der drei mutmaßlichen Morde beschrieben. Wenn die Verdächtigen nun plötzlich unschuldig sind, wie sieht denn dann die neue Version des Tatverlaufs aus?«, wollte die Reporterin des Eskilstuna-Kuriren wissen.
Ranelid hatte ganz kurz eine gewisse Schwäche offenbart, aber jetzt war es auch wieder genug, fand er. Außerdem brauchte ausgerechnet die Vertreterin der Lokalzeitung nicht zu glauben, sie könnte sich hier hinstellen und einen Staatsanwalt Conny Ranelid schulmeistern.
»Aus ermittlungstechnischen Gründen kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen«, brach der Staatsanwalt ab und richtete sich zu voller Größe auf.
Die »ermittlungstechnischen Gründe« hatten schon mehr als einmal mehr als einen Staatsanwalt aus mehr als einer Klemme befreit, aber diesmal funktionierte der Trick nicht. Ranelid hatte ja über mehrere Wochen herausposaunt, warum die vier Personen als schuldig anzusehen waren. Nun fand die Presse doch, dass er zumindest ein paar Minuten darauf verwenden sollte, sich zu ihrer Unschuld zu äußern. Oder mit den Worten des Besserwissers von Dagens Nyheter :
»Warum sollte es denn bitte aus ermittlungstechnischen Gründen geheim bleiben müssen, was ein paar unschuldige Menschen getrieben haben?«
Staatsanwalt Ranelid stand am Rande eines Abgrunds. Es sah ganz so aus, als würde er fallen, entweder jetzt gleich oder in den nächsten Tagen. Doch eines hatte er den Journalisten immerhin noch voraus: Er wusste, wo
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