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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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nicht, wenn man Grund dazu hatte. Wie zum Beispiel, als die Nachricht vom Tod des Vaters die Hütte in Yxhult erreichte. Ganz im Sinne der Familientradition reagierte Allan, indem er Feuerholz hacken ging, wenn auch sehr lange und sehr schweigsam. Oder als die Mutter denselben Weg ging und zum Leichenwagen getragen wurde, der vor dem Haus wartete. Da stand Allan in der Küche und verfolgte das Schauspiel durchs Fenster. Ganz leise, sodass nur er es hören konnte, sagte er:
    »Auf Wiedersehen, Mutter.«
    Damit war dieses Kapitel in seinem Leben abgeschlossen.
    * * * *
    Allan schuftete für seine Dynamitfirma und baute sich in den frühen Zwanzigern einen beträchtlichen Kundenstamm in ganz Sörmland auf. Am Samstagabend, wenn seine Altersgenossen zum Tanz gingen, blieb Allan zu Hause sitzen und bastelte an neuen Formeln, um die Qualität seines Dynamits zu verbessern. Und am Sonntag ging er zu seiner Kiesgrube und führte neue Probesprengungen durch. Allerdings nicht zwischen elf und ein Uhr – das hatte er dem Pfarrer in Yxhult schließlich versprechen müssen, damit der nicht so viel darüber lamentierte, dass Allan dem Gottesdienst fernblieb.
    Er fühlte sich allein recht wohl, und das war auch gut so, denn er lebte ziemlich einsam. Da er sich nicht der Arbeiterbewegung anschloss, verachtete man ihn in sozialistischen Kreisen, doch er war zu sehr Arbeiter und Sohn seines Vaters, als dass man ihn in irgendwelchen bürgerlichen Salons empfangen hätte. In denen saß außerdem Großhändler Gustavsson, und der wollte auf keinen Fall Umgang mit der Karlsson-Rotznase pflegen. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn der Kerl am Ende noch aufschnappte, was für einen Preis Gustavsson für dieses Ei erzielt hatte, das er Allans Mutter zu einem Spottpreis abgenommen und an einen Diplomaten in Stockholm weiterverkauft hatte. Dank diesem Geschäft war Gustavsson jetzt der dritte stolze Automobilbesitzer der Gegend.
    Da hatte er damals wirklich Glück gehabt. Aber das Glück lachte Großhändler Gustavsson nicht so lange, wie er es sich gewünscht hätte. Eines Sonntags im August 1925 machte er sich nach dem Gottesdienst mit seinem Auto zu einem Ausflug auf, in erster Linie, um sich in seinem Gefährt zu zeigen. Dummerweise schlug er den Weg ein, der bei Allan Karlsson in Yxhult vorbeiführte. In der Kurve bei Allans Hütte musste Gustavsson nervös geworden sein (falls nicht sogar Gott oder die Vorsehung irgendwie eingriffen), jedenfalls bockte die Schaltung, und Gustavsson fuhr mitsamt seinem Automobil geradewegs in die Kiesgrube hinter der kleinen Hütte, statt rechts daran vorbeizusteuern. Schlimm genug, wenn Gustavsson sich einfach nur auf Allans Grund und Boden begeben und eine Erklärung hätte abgeben müssen, aber es sollte noch viel schlimmer kommen: Gerade als Gustavsson sein hochglanzpoliertes Automobil zum Stehen gebracht hatte, führte Allan nämlich die erste Probesprengung an diesem Sonntag durch.
    Der junge Karlsson war hinter dem Plumpsklo in Deckung gegangen und sah und hörte nichts. Dass irgendwas schiefgegangen sein musste, wurde ihm erst klar, als er zur Kiesgrube zurückkehrte, um das Ergebnis der Sprengung in Augenschein zu nehmen. Da lag das Automobil des Großhändlers über die halbe Grube verteilt, und hier und da auch Teile des Großhändlers selbst.
    Der Kopf des Großhändlers war kurz vor dem Wohnhaus ganz weich auf einem kleinen Rasenstückchen gelandet. Dort lag er nun und richtete seinen leeren Blick auf das Bild der Verwüstung.
    »Was hatten Sie in meiner Kiesgrube zu suchen?«, fragte Allan.
    Der Großhändler antwortete nicht.
    * * * *
    In den nächsten vier Jahren hatte Allan genug Zeit, um zu lesen und sich ausführlich in die gesellschaftlichen Entwicklungen einzuarbeiten. Er wurde umgehend eingesperrt, obwohl man gar nicht so leicht hätte sagen können, wofür eigentlich. Irgendwie hatte Allans Vater damit zu tun, der alte Umstürzler. Da beschloss ein junger und hungriger Lehrjunge des Rassenbiologen Professor Bernhard Lundborg in Uppsala, auf Allan seine Karriere aufzubauen. Nach einigem Hin und Her landete Allan in Lundborgs Klauen und wurde kurzerhand zwangssterilisiert aufgrund »eugenischer und sozialer Indikation«, was bedeutete, dass Allan wohl ein wenig zurückgeblieben war und dass jedenfalls noch genug von seinem Vater in ihm steckte, dass der Staat ein Recht hatte, jede weitere Fortpflanzung der Familie Karlsson zu unterbinden.
    Die Sterilisierung an sich

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