Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
saß ganz vorne, deswegen konnte sie ihn nicht so gut sehen und auch nicht hören, was der Alte und der Fahrer geredet haben. Was sagst du, Gerda? Ja, also, Gerda sagt gerade, sie ist nicht so eine, die lauscht, wenn sich andere Leute unterhalten … Aber das Komische daran war auf jeden Fall, dass … ja, also … na ja, der Alte ist mit seinem Riesenkoffer schon auf halber Strecke ausgestiegen, er ist bloß ein paar Kilometer mitgefahren. Und er sah richtig alt aus, wirklich. Nein, wie die Haltestelle hieß, weiß Gerda nicht mehr, das war so quasi mitten im Wald … irgendwo auf halber Strecke eben. Also, zwischen Malmköping und Strängnäs .
Der Anruf wurde aufgezeichnet, transkribiert und in das Hotel gefaxt, in dem der Kriminalkommissar während seines Außeneinsatzes in Malmköping untergebracht war.
6. KAPITEL
Montag, 2. Mai–Dienstag, 3. Mai 2005
Der Koffer war bis an den Rand mit Geldbündeln aus lauter Fünfhundertkronenscheinen gefüllt. Julius überschlug die Summe kurz im Kopf. Zehn Reihen waagrecht, fünf senkrecht. In jedem Stapel fünfzehn Bündel zu jeweils bestimmt fünfzigtausend …
»Siebenunddreißigeinhalb Millionen, wenn ich richtig gerechnet habe«, sagte Julius.
»Na, das nenne ich mal einen Haufen Geld«, meinte Allan.
»Lasst mich raus, ihr Schweine!«, brüllte der junge Mann im Kühlraum.
Er veranstaltete einen Riesenkrach, schrie und trat gegen die Tür. Angesichts dieser Wendung der Ereignisse mussten sich Allan und Julius erst mal sammeln, aber das ging einfach nicht bei diesem Lärm. Schließlich beschloss Allan, dass der junge Mann vielleicht mal eine Abkühlung brauchte, also stellte er den Kühlgenerator an.
Es dauerte nicht lange, da merkte der junge Mann, dass sich seine Situation verschlechtert hatte. Er verstummte und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Klare Gedanken lagen dem jungen Mann sowieso nicht unbedingt, und im Moment hatte er obendrein noch rasende Kopfschmerzen.
Nach minutenlangem Grübeln kam er immerhin zu dem Schluss, dass er sich weder durch Drohungen noch durch Tritte aus seiner misslichen Lage befreien konnte. Blieb also nur die Möglichkeit, um Hilfe von außen zu bitten. Blieb also nur die Möglichkeit, den Chef anzurufen . Der Gedanke war grauenvoll. Aber wie es aussah, konnte die Alternative noch um einiges schlimmer aussehen.
Der junge Mann zögerte noch eine Weile, doch die Kälte setzte ihm von Minute zu Minute mehr zu. Schließlich zog er sein Handy aus der Tasche.
Kein Netz.
* * * *
Der Abend ging in die Nacht über, die Nacht in den Morgen. Als Allan die Augen aufschlug, wusste er nicht, wo er war. War er nun also doch im Schlaf gestorben?
Eine muntere Männerstimme wünschte ihm einen guten Morgen und teilte ihm mit, dass es zwei Neuigkeiten zu vermelden gab, eine gute und eine schlechte. Welche wolle Allan zuerst hören?
Zuerst wollte Allan eigentlich bloß wissen, wo er war und warum. Die Knie taten ihm weh, also war er wohl doch noch am Leben. Aber war er nicht aus dem … und hatte er dann nicht diesen Koffer … und … Julius hieß er, oder?
Die Puzzleteilchen fielen an ihren Platz, Allan war wach. Er lag auf einer Matratze auf dem Boden von Julius’ Schlafzimmer, während dieser in der Tür stand und seine Frage wiederholte. Ob Allan zuerst die gute oder die schlechte Neuigkeit hören wolle?
»Die gute«, bat Allan. »Die schlechte kannst du einfach weglassen.«
In Ordnung, fand Julius und teilte ihm mit, die gute Nachricht sei die, dass in der Küche schon fürs Frühstück gedeckt sei. Es gab Kaffee, Brote mit kaltem Elchbraten und Eier von den Nachbarshühnern.
Dass Allan das noch erleben durfte – ein Frühstück ohne Haferbrei! Das war wahrhaftig eine gute Nachricht. Als er sich an den Küchentisch setzte, spürte er, dass er jetzt auch noch die schlechte Nachricht verkraften konnte.
»Die schlechte Nachricht ist die …«, begann Julius und senkte die Stimme ein wenig. »Die schlechte Nachricht ist die, dass wir gestern in unserem Rausch ganz vergessen haben, die Kühlung wieder auszuschalten.«
»Und?«, fragte Allan.
»Und … na ja, der da drinnen ist jetzt so ziemlich tot.«
Allan kratzte sich bekümmert im Nacken, bevor er beschloss, dass er sich von dieser Schlamperei nicht den Tag verderben lassen wollte.
»Zu dumm«, meinte er. »Aber ich muss schon sagen, das Ei hast du perfekt hingekriegt. Nicht zu hart und nicht zu weich.«
* * * *
Kriminalkommissar Aronsson wachte um acht Uhr morgens
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