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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Angestelltenkantine hinaufgehen und etwas essen, beschloß Jamini. Am Nachmittag begann sein Dienst auf der Yacht.
    Charlie thronte ganz oben auf der Leiter. Auf seinem runden kurzgeschorenen Schädel trug er ein Schiffchen aus gefaltetem Zeitungspapier. Das Schiffchen, Charlies Hände, das zerrissene Hemd und die alten Uniformhosen waren mit weißen Kalkspritzern bedeckt.
    Es war unerträglich drückend in dem kleinen Raum. Alles roch nach Kalk. Von seiner Leiter aus konnte Charlie durch das Fenster den Haufen Gerümpel sehen, den sie den ganzen Vormittag in den von Brennesseln überwucherten Garten des alten Hauses geschleppt hatten: Kommoden ohne Beine, zerschlagene Wasserkannen, zerbrochene Stühle, ein Sofa, aus dem Roßhaar hervorquoll, alte Koffer …
    Am besten wäre es, das ganze Gelumpe im Garten zu verbrennen, aber mit Fabien ging das nicht. Ausgeschlossen! Bei der kleinsten Streichholzflamme rannte der doch davon.
    Charlie Benoît kletterte die Leiter hinunter und sah sich um. Das Zimmer war leer. Die Farbkübel waren es auch.
    »Fabien!«
    Er erhielt keine Antwort.
    Er versuchte es nochmals, und dieses Mal wurde er laut.
    Auch das nutzte nichts.
    Schließlich streckte Fabiens Freundin Régine den Kopf durch die Tür.
    »Was schreist du hier herum. Ich bin doch draußen im Garten.«
    »Wo du bist, ist mir egal.«
    »So?« Sie stützte die Hände in die Taille.
    »Ich brauch ein bißchen Farbe.« Er gab dem Kübel einen Tritt. »Und selbst das ist Fabien zuviel. Er löst sich einfach in Luft auf.«
    »Komm doch, Charlie …« Wenn Régine ihn so ansah, wurde er weich. Jeder wäre es geworden bei den wilden kastanienfarbenen Locken, den Augen – bei ihrer Figur sowieso.
    Er holte sich eine Gauloise vom Fensterbrett. Régine gab ihm Feuer und hatte noch immer diesen bittenden Ausdruck im Gesicht.
    Er sog den Rauch ein. »Régine, so hat das alles keinen Zweck. Wir müssen was tun, wir müssen Fabien rausholen aus dem Loch, in dem er steckt.«
    »Und wie?«
    »Frag mich was Einfacheres! Ich weiß nur eines, Régine, daß wir es nicht schaffen, wenn wir ihn bloß schonen, wenn wir immer bloß sagen: Der arme Fabien!« Charlie gab dem Kübel einen neuen Tritt … »Der arme, arme Fabien … Na und? Sein Vater ist nun mal tot, und keiner kann's ändern.«
    »Aber er kann nicht einmal darüber sprechen.«
    »Trauma nennt sich so was. Ein psychischer Schock und so weiter, und so weiter … Aber jetzt haben wir den achtzehnten Juli, und in sechs Wochen beginnt das nächste Semester. Fabien kann seit dem Tod seines Vaters nicht sprechen, er stottert – gut. Aber hören und lesen kann er.«
    Er legte ihr die Hand auf die Schulter, er konnte einfach nicht sehen, wie ihre Augen feucht wurden.
    »Mensch, Régine, er soll aktiv werden. Das ist doch das einzige, was hilft. Und was macht er? Hängt rum, während ich mir den Arsch aufreiße. Das hier wird doch sein Haus! Mit einer neuen Umgebung, einer neuen Aktivität fängt doch alles an. Und was heißt sprachgestört? Er kann doch die Farbe anrühren, wenn ich mir hier oben auf der Leiter einen abbreche …«
    Régine machte eine heftige Bewegung.
    Charlie sah zur Tür. Da stand Fabien, stand mit hängenden Armen und weit aufgerissenen Augen.
    »Ich … ich … äh …«
    Charlie ertrug seinen Anblick nicht. Er ging zu dem alten verrosteten Waschbecken in der Ecke, drehte den Hahn auf, rieb sich den Kalk von den Händen, schüttete sich Wasser ins Gesicht.
    Als er sich wieder umdrehte und die nassen Hände an einem Lappen trocknete, hielt Régine Fabiens Schultern umschlungen und sprach leise auf ihn ein.
    Fabien nickte. Sein Gesicht war wieder ruhig. Sie bringt es, dachte Charlie. Sieh dir das an, und jetzt spricht er sogar.
    »Ich kann nicht hierbleiben«, sagte Fabien. Er sagte es ruhig, ohne ein einziges Mal zu stottern. »Ich kann und ich werde es nicht. Tut mir leid, aber das … das mußt du doch verstehen, Charlie. Die Leute hier, dieses Dreckspack, kann ich nicht mehr sehen.«
    »Wo willst du hin? Weg?«
    Fabien schüttelte heftig den Kopf.
    »Wohin dann?«
    »Auf den Col«, sagte Régine und drückte ihn an sich.
    »In den Wald?«
    »Ja, in den Wald.«
    Charlie betrachtete seine Zigarette. Sie hatten sich am Col vor zwei Jahren eine Hütte gebaut, Fabien und sein Vater. Pascal war ganz wild darauf gewesen, all das Vogelzeug zu fotografieren, das da herumflog. Dafür hatte er sich noch eine teure Kamera gekauft, sogar mit einem Teleobjektiv. Es hatte ein

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