Der Hypnosearzt
Unter dem Stein?« fragte Régine.
Er nickte nur.
Sie holte den Schlüssel, schloß die Hütte auf und nahm eines der Handtücher, die sie ihm gestern gebracht hatte.
»Fabien, jetzt wach doch mal auf. Ich seh ja ein, du bist völlig fertig … Willst du was essen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe Schokolade, Fabien. Ich hab auch Schinken. Und ein frisches Baguette.«
Nichts …
»Na gut …« Es kostete Régine all ihre Kraft, ihre Panik zu unterdrücken. »Fabien, falls dir das schon aufgefallen ist, ich bin zum ersten Mal abends raufgekommen. Und warum? Weil ich mit meinem Freund zusammen was essen und ihn ein bißchen auf andere Gedanken bringen wollte. Und was ist? Was seh ich, was hab ich? Eine Jammerfigur … So geht's auch nicht. Also wenn du noch in der Lage bist, ein bißchen an etwas anderes zu denken – mon Dieu – dann sieh wenigstens ein: So empfängt man keine Gäste. Und schon gar nicht seine Frau.«
Er legte den Kopf schräg, sein Gesicht verzog sich, und soweit sie etwas unter dem ganzen Schmutz erkennen konnte, der es überzog, war es eine Art Lächeln.
»Na siehst du! Und warm genug ist es ja. Also los, jetzt fangen wir an.«
»Was?«
»Waschen«, sagte sie. »In jeder anständigen bürgerlichen Familie wird zunächst mal gebadet, oder?«
»Du bist verrückt.«
»Nein, du.«
Sie hatte den Verschluß des Plastikkanisters geöffnet, goß Fabien einen ersten zarten Strahl Wasser über die Schulter. Er fuhr zusammen, blieb aber sitzen. »Jetzt ein bißchen den Kopf, so … Mein Gott, Fabien, du siehst aus, als hätten sie dich gerade aus dem Feuer gebuddelt.«
»Laß das!«
»Ja spinnst du? – Komm schon, ruhig, ganz ruhig, Mutti macht das, bébé .«
Sie strich ihm über die Haare, und er schüttelte wild den Kopf. Was er sagte, konnte sie nicht verstehen, so sehr stotterte er wieder.
Sie zeigte ihm den Kanister. »Drei Liter sind schon raus. Ja, wenn du um dich schlägst, du Idiot … Und zum Trinken und Kochen brauchen wir auch etwas … Wie soll ich da über die Runden kommen?«
Sein Kopf wollte wieder nach vorn sinken, aber Régine ließ es nicht zu, sie hob sein Kinn mit dem Zeigefinger an und sah ihm in die Augen. »Fabien Lombard, sei vernünftig! Komm auf die Welt zurück. Du wirst schon finden, was du da suchst … Du wirst es, ich weiß das. Hörst du?«
Er nickte. Die verzweifelte Resignation in seinem Gesicht griff ihr ans Herz.
»Komm, komm«, flüsterte sie. »Komm, jetzt bist du mein Baby. Und jetzt waschen wir erst mal den ganzen Schmutz da ab. Ist doch schrecklich … Und dann trinken wir und essen wir … Sei still! Jetzt hast du nichts zu sagen. Jetzt hol ich ein Handtuch, und du bleibst einfach sitzen. Versprochen?«
Er hielt die Augen halb geschlossen, aber er nickte, und dieses Nicken machte Régine glücklich.
Sie lief in die Hütte, nahm ein Handtuch aus dem Regal, kam zurück, redete dabei in einem fort weiter: »Viel Wasser gibt's nicht, Fabien. Aber genug Handtücher … Paß auf, ganz ruhig. So … brav …«
Sie hatte auch eine Schüssel mitgebracht, tauchte das Handtuch ins Wasser und begann ihn abzuwaschen. »Nun die Schultern, die Brust. Nimm den Arm hoch … Ja, mein Kleiner, sehr gut! Die Hose? Die muß weg. Mein Gott, deine Badehose kriegt kein Mensch mehr sauber. Ist ja auch egal …«
Sie streifte ihm die Badehose von den Hüften, dann von den Beinen und wusch und wusch den Körper, den sie kannte, der ihr so vertraut war. Es war Fabien, endlich er …
Sie begrub ihren Kopf in seinem Schoß. Ihre Hände lagen auf den Hüftknochen. Ihr Mund suchte …
Sie hörte seinen Atem. Er wurde schnell und erregt. Ihr Mund wollte loslassen, doch Fabien preßte ihren Kopf an sich.
»Später, Kleiner«, flüsterte sie erstickt. »Du mußt was essen. Bist doch halb tot … Jetzt doch nicht …«
Er war beileibe nicht halb tot. Seine Hände drückten ihren Kopf noch tiefer, sie spürte, wie seine Finger den Reißverschluß ihres Kleides öffneten. Sie wollte sprechen, doch wie? Es war schön, es war zu schön.
Plötzlich lag Régine in Fabiens Armen, spürte, wie sie hochgehoben und in die Hütte zum Bett getragen wurde – und dann gab es nur noch Glück …
Ein leichter Wind war aufgekommen. Die Maria II zerrte an ihrer Ankerkette, am Ufer sah man erste Lichter aufflammen, doch durch den Spalt der leicht geöffneten Schiebetür drangen noch immer Stimmen; seit zwei Stunden das gleiche einförmige Gemurmel, manchmal unterbrochen durch
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