Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
fünf auf eins … Und bei eins springst du auf, bei eins fühlst du dich wie ein junger Gott … Fünf – vier – drei – zwei – eins!«
    Borodin riß die Augen auf.
    »Los! Aufstehen. Du kannst das! Komm, Boris, steh auf!«
    Im Salon war ein leises Flüstern zu hören. Doch Borodin starrte Bergmann weiter an, als habe er es mit einem Heiligen, als habe er es mit Rasputin selbst zu tun, aber er blieb sitzen.
    Bergmann war aufgestanden, er hatte beide Hände in die Hüften gestemmt, nun schrie er:
    »Ich hab gesagt, du kannst das, und du kannst! Also tu es.«
    Endlich, der Russe winkelte die Beine an und schob den Oberkörper nach vorn, streckte den rechten Arm aus, als erwarte er Hilfe, Bergmann schüttelte nur den Kopf. Und da stand Borodin auf – das Gesicht voller Staunen, die Augen groß und ungläubig. Er stand, machte einen Schritt, mit dem linken Fuß zuerst, dann den zweiten, schüttelte den Kopf, fing an zu lachen, hob die Arme hoch, vollführte eine Drehung, eine zweite, trommelte mit den nackten Fersen auf den Teppich, noch immer ungläubig, trommelte dann mit beiden Füßen und brüllte: »Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr …«
    »Langsam, langsam, Boris«, versuchte Bergmann ihn zu bremsen.
    »Was heißt hier langsam, Rasputin? Ich kann's doch. Ich kann's.«
    Lindner kam heran, ein Champagnerglas in der linken Hand. Er lachte Borodin an.
    »Du, er kann's … Unglaublich, Stefan. Wirklich, ungeheuerlich.«
    Er hielt Stefan das Glas hin, doch der schüttelte nur den Kopf.
    »Na, dann gib her!« schrie Borodin. »Meine Birne funktioniert auch wieder. Und wenn ich denke, was jetzt auf mich zukommt, brauch ich sie.«
    Er trank den Champagner in einem Zug.
    Fehlte tatsächlich nur der Tusch … Bergmann blickte in die Ecke, in der Maria Lindner saß. Sie sah ihn an. Wie gebannt.
    Onkel Fernand war aufgestanden. Er war nicht sehr groß, und so sahen sie sich direkt in die Augen. »Mädchen, du weißt, ich habe ein Herz. Und du weißt auch, daß ich mit dem alten Pascal befreundet war, soweit man mit einem wie ihm überhaupt befreundet sein konnte. Ich habe auch nie etwas gesagt, als du mit dem Jungen anfingst. Aber das alles hat seine Grenzen. Der Junge ist durchgeknallt und …«
    »Er braucht 'ne Decke.«
    »'ne Decke? Bei der Hitze?«
    »Ich hab ihm auch eine Tüte mit Obst eingepackt und ein bißchen Schokolade, und außerdem …«
    Régine überlegte, ob sie den Schlüssel des R4 wieder an den Haken hängen sollte, von dem sie ihn gerade genommen hatte. An sich konnte sie sich nicht beklagen; den Wagen hatte Onkel Fernand ihr jedesmal zur Verfügung gestellt. Aber schließlich stand sie ja auch den ganzen Tag an seiner Supermarkt-Kasse, und so konnte sie erst in der Mittagszeit immer hoch zum Col fahren. Doch heute war es etwas anderes.
    »… außerdem will ich ihm helfen.«
    Régine hatte sich einfach umgedreht und war gegangen. Sie hatte sich in den Wagen gesetzt, war losgefahren und durchquerte die Flut von rotgoldenem Licht, in das die untergehende Sonne das Meer, die Küste und das Land tauchte. Im Wald aber hatte die Dämmerung alle Schatten aufgelöst, und es herrschte graues Zwielicht.
    Régine stoppte den R4 am Weg, holte ihre Taschenlampe heraus und lief zwischen den Pinien zur Hütte hinunter.
    »Fabien!«
    Sie bekam keine Antwort.
    Die Tür war verschlossen.
    »Fabien!«
    Von der Baustelle kam das Gedröhne von Lastwagenmotoren, die sich entfernten. Régine dachte daran, zur Brandstelle hinunterzulaufen, aber es war doch ausgeschlossen, daß Fabien dort noch arbeitete.
    Sie wollte sich gerade dem kleinen Fenster zuwenden, um nachzusehen, ob es sich öffnen ließ, als hinter ihr Zweige raschelten. Erschrocken drehte sie sich um und hielt die Hand vor den Mund.
    »Fabien!«
    Da stand eine Art schreckliches Gespenst, von einer dunklen Kruste Asche, Staub und Dreck überzogen. Nur die Augen, selbst jetzt bei diesem Licht, schienen zu leuchten. Die Augen waren die von Fabien.
    »Fabien«, flüsterte Régine so weich, wie es ihr möglich war. Sie ging auf ihn zu.
    »Fabien, um Gottes willen …« Sie streichelte seine magere Schulter. »Fabien, was ist denn? Sag doch was.«
    Seine Lippen bewegten sich, doch er blieb stumm.
    Sie kletterte wieder hoch zum Wagen, zog den schweren Zehn-Liter-Plastikkanister mit Wasser heraus und schleppte ihn zur Hütte hinab. Fabien saß auf der kleinen Bank unter dem Fenster, die Arme zwischen den Knien, den Oberkörper vornüber gebeugt.
    »Der Schlüssel?

Weitere Kostenlose Bücher