Der Hypnosearzt
Umarmung. Lindner wiederum mußte sich weit aus der Hüfte nach vorn beugen, um die schmatzenden Küsse seines Geschäftspartners zu empfangen.
»Den für deine Frau!« brüllte Borodin. Bartgestrüpp umwucherte sein Kinn. »Maria ist etwas derartig Unglaubliches! Etwas wie sie hast du überhaupt nicht verdient. Wärest du nicht mein Freund, würde ich sie dir sofort ausspannen. Ja – und den für das Restaurant. Der Tip war goldrichtig. Ohne dich hätte ich mich in diesem gottverdammten Kaff verirrt.«
Dann stand Borodin wieder auf den Füßen, leckte sich die volle Unterlippe mit der Zunge, während der dritte Russe hinter ihm auftauchte wie eine mächtige graue Fassade, riesig, vollkommen kahl geschoren, stumm wie ein Fels. Seine weitgeschnittene Anzugjacke wölbte sich, und er ließ den Blick nicht von der Mole – ganz offensichtlich der Leibwächter.
»Der berühmte Doktor?« Borodin hatte den Blick der wieselschnellen Augen auf Stefan gerichtet, die Frage kam in fast akzentfreiem Deutsch. »Mein Cowboy-Freund hier … Wissen Sie, wieso ich ihn Cowboy nenne? Weil er nur eines im Kopf hat: seine Geschäftspartner zu Tode zu reiten. Lindner jedenfalls hat soviel von Ihnen erzählt, daß ich schon fürchtete, er sei auf der anderen Seite gelandet!«
»Nun reicht's!« protestierte Lindner.
»Es reicht nie, Thomas. So was kannst du nicht verstehen. Russe müßtest du sein, was, Mischa?«
Der Riese mit dem steinernen Kinn verzog keine Miene. Borodin schüttelte Stefan die Hand.
»Sind schon die Freunde meiner Freunde meine Freunde, wie steht es dann erst mit den Lebensrettern?«
»Wieso Lebensretter, um Gottes willen?«
»Bescheiden ist er auch noch? Der erste bescheidene Mensch in Thomas Lindners Umgebung!«
Borodin hakte sich bei Stefan ein. »Kommen Sie, wir sind hier Gäste, wir müssen zusammenhalten. Auf diesem schäbigen Kahn muß es doch etwas zu trinken geben?«
Sie hatten die Plattform am Heck erreicht, ein reichlich benommener Stefan Bergmann und ein Boris Borodin, der ohne Punkt und Komma weiterschwadronierte, als habe er eine ganze Gesellschaft zu unterhalten.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Stefan Maria Lindners ergebenes Gesicht.
»Maria! Guck nicht so! Dein Hafencafé, heilige Mutter Gottes, bin ich froh, daß ich da wieder raus bin. Und nur Mineralwasser! Stellen Sie sich vor, Doktor, Mineralwasser! Nach einem Essen!«
»Dabei hattest du ja schließlich genug getrunken.«
»Genug?« Borodin warf Maria einen schmachtenden Blick zu. »Sosehr ich zu deinen Füßen liege, sosehr ich dich anbete, dieses Wort kommt nicht in mein Wörterbuch. Kein Glas Champagner hat sie mir gegönnt, nicht ein einziges. Ich wollte dir ja was ganz anderes bieten, Thomas: mich. Aber in Begleitung von zwei hinreißenden Mädchen …«
»Du reichst mir …«
Das sähe er falsch, versicherte Boris Borodin, breitete die Arme aus und zeichnete mit seinen Händen Kurven in die Luft. »Traumfrauen … Die eine schwarz mit Hüften und einer Taille … Die andere rothaarig. Sie saßen am Nebentisch, warfen mir Blicke zu. Also schickte ich Mischa los. Aber als der aufsteht und zu ihnen geht, fangen sie an zu schreien: Ziehen Sie Ihren King Kong zurück! Und dann …«
»Und dann«, beendete Maria Lindner, »beschloß ich, unseren Boris aus dem Verkehr zu ziehen. Die Sache wurde gefährlich.«
»Maria! Ich sage dir …«
Borodin ruderte mit den Armen. Das tat er diesmal wohl zu heftig, denn die Yacht hatte sich gerade leicht zur Seite gelegt, und der rechte Fuß, an dem er noch den Schuh trug, kam ins Rutschen. Boris Borodin knallte zu Boden.
Zuerst lag er ganz still. Dann kam ein Stöhnen aus seinem Mund. Er versuchte wieder auf die Knie zu kommen, hielt den Kopf schräg, einen nun knallroten Kopf mit schmerzverzerrtem Gesicht, dann krallte er die rechte Hand in den Rücken und stieß stöhnende russische Worte aus.
»Mensch, Boris, was ist denn los?« fragte Lindner erschrocken.
Doch das blieb unklar, denn Borodin brüllte zwar noch immer, aber er brüllte auf russisch. Stefan sah, daß Maria etwas zu ihrem Mann sagte, und der drehte sich jetzt ihm zu: »Maria meint, es sei sein Ischias.«
Stefan nickte; es war der Gedanke, den auch er gerade gehabt hatte. Mischa, der Leibwächter, kniete neben seinem Chef, doch Borodin stieß zornig seine Hand zurück.
Stefan schob den Mann zur Seite.
»Der verfluchte Ischias!« Das kam auf deutsch.
»Und? Ist Ihnen das schon mal passiert?«
Borodin nickte und biß sich
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