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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Wissen Sie, was das Geheimnis ist? Fasane werden nach genügender Reifung zwar ausgenommen, man entfernt aber nicht die Federn. Dazu wälzt man sie in Lehm und legt sie in die Glut. Aber nur solange, bis der Ton gut durchgetrocknet ist. Auf keinen Fall darf er hart werden wie ein Ziegel. Mit dem Lehm lassen sich dann die Federn entfernen. Anschließend werden die nackten Vögel mit Speckstreifen gespickt und einem Trüffel-Schnepfen-Ragout gefüllt. Im Brotteig gewälzt, der mit Kräutern und Fasanenleber abgeschmeckt wird, kommen sie dann rein in die Röhre, und dann heisst es warten … Niemals mit Wasser begießen. Nie! Nur warten, bis das Brot von der Sauce durchdrungen ist, sie irgendwann abzulaufen beginnt, und die Nase sagt: Jetzt ist er gut. Gehen wir?«
    »Aber Sie müssen sich doch was anziehen …«
    Wir flanierten über Boulevards und Straßen. Die Stimmung in der Stadt war wie für uns gemacht: Türen und Fenster standen offen, und der Winter wurde vorübergehend verabschiedet, in dem über die Balkone hinweg wieder geplaudert und gelacht wurde. Saint Germain des Prés war erwacht, bot ungelenkes Klavierspiel genauso wie fröhlich hinausgeschmetterte „Figaro, Figaro“-Weinseligkeit. Die wagemutigsten sonnten sich mit gespreizten Beinen auf den Bänken, irgendwo rülpste voller Wohlbehagen eine Schar Betrunkener. Der Verkehr kam wieder ins Stocken, weil Konditoreien und Süßwarenbuden Tische und Stühle auf die Straße stellten. Hunde schleckten Törtchen auf, Kinder labten sich an Zuckerstangen, und ich bekam Lust auf Tabak.
    So zogen wir zum Palais Royal. In den Galerien ging es zu wie auf einem Markt, aber weniger, weil die Menschen sich in den dort feilgebotenen Luxus stürzten, sondern hofften, im windgeschützten Garten eine freie Bank zu ergattern. Wer keinen Platz fand, konnte sich für einen Sous einen strohgeflochtenen Stuhl mieten. Es sah lustig aus, wie die Menschen auf dem noch stumpfen Rasen auf ihren Stühlen schaukelten, Zeitung lasen, die Stiefelspitzen anbeteten oder Gebäck verschlangen und die Spatzen fütterten. Jeanne kämpfte mit sich, ob sie sich ein Paar Handschuhe gönnen sollte, mich zog es ins Paradies der würzigen Düfte.
    Ich hatte die Qual der Wahl: englischer, mit Honig versetzter Knaster oder amerikanischer oder holländischer Tabak? Aber wer rauchen will, braucht erst einmal eine Pfeife. Porzellan, Holz? Wenn es nach ihm ginge, erklärte mir der Verkäufer, würde er all diese Pfeifen vom Tisch fegen. Wahren Rauchgenuß biete nur eine Pfeife aus sogenanntem Meerschaum oder dem Holz der korsischen Bruyère-Heide. Buchs, Palisander oder Weichsel – das sei alles Schnee von gestern. Ich bekam einen kleinen Vortrag darüber, wie vor gut zwei Jahren ein ungarischer Graf bei seiner Reise zu den Osmanen eine Knolle Meerschaum – in Wahrheit ein weiches weißliches Magnesiumgestein – im Gepäck hatte, aus der ihm sein Schuster eine Pfeife schnitzte.
    »Der kühle Rauch aus einer Meerschaumpfeife, Monsieur, erhöht den Tabakgenuß zur Vollkommenheit. Wir beziehen unsere Pfeifen aus Wien. Sie sind …«
    »… preislich angemessen, wollen Sie sagen?«
    »Ein Konzert auf einer Stradivari klingt … anders. Mit einer halben Stunde Pfeifengenuß verhält es sich ähnlich. Wenn Sie dabei einen edlen Ova- oder Djebeltabak aus Virginia verkosten, ist das ein kulturelles Ereignis. Aber auch ein Bafra vom Schwarzen Meer vermag zu entzücken, hingegen ich persönlich es nicht leide, derartige Spitzenblätter mit Feigen, Honig oder Ananas zu parfümieren.«
    Da mir die Meerschaum-Pfeifen zu zerbrechlich waren, wählte ich eine genußreif vorgerauchte Bruyère-Pfeife und verlangte dazu einen leichten Virginia-Tabak. In diesem Moment kam auch Jeanne von ihrem Einkauf zurück, zwar ohne Handschuhe, doch mit einem hübschen, goldgelben Schal. Eigentlich, sagte sie, fände sie es hier im Palais Royale angenehm.
    »Warum erst noch in die Rue Montorgueil, wenn´s auch nur ein Viertelstündchen ist. Wissen Sie, ich habe gar keine Lust auf diese dicken Maroquin-Speisekarten des Rocher de Cancale.«
    »Die wollen wir doch auch gar nicht verspeisen ...«, sagte ich leichthin und um einen Scherz bemüht. »Soweit ich mich erinnere, gelüstete es uns nach einem Fasan?«
    Ich war nicht erpicht auf das Rocher de Cancale. Zwar steht dort noch heute Fasan auf der Speisekarte, aber eigentlich war es damals schon der Tempel für alles, was das Meer an Essbarem bietet. Ob Jeanne das wusste?
    »Eben«,

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