Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
Vom Netzwerk:
klargemacht habe.
    »Stellen Sie sich nur einmal vor, Ihre Therapie-Sitzungen zeitigten Erfolg. Die Angst, dass es so geschehen könnte, mein lieber Monsieur Cocquéreau, ist für mich ein schwerwiegendes, vernünftiges Motiv.«
    »Aber welche Beweise … «
    »Wir arbeiten daran. Ich habe meine Leute beauftragt, den Kutscher ausfindig zu machen. Da eine Belohnung ausgesetzt ist, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis wir eine Gegenüberstellung vornehmen können.«
    »Offen gestanden, ich schließe aus, dass der Baron oder Abbé eigenhändig … schon aus Zeitgründen …«
    »Sie haben Recht, aber ich möchte ihre Gesichter sehen. Beide Herren sind keine Schauspieler. Die Ungeheuerlichkeit der Unterstellung wird Reaktionen provozieren.«
    »Das ist starker psychologischer Tobak«, wandte ich ein. »Ehrlich gesagt, fürchte ich dabei um das Wohl von Marie-Thérèse.«
    »Das glaube ich Ihnen aufs Wort, doch im Augenblick habe ich keinen anderen Plan. Wie würden Sie reagieren, wenn ich Sie bäte, auf das Gut der Oberkirchs zu reisen, um dort ein paar Nachforschungen für mich anzustellen? Sie wissen ja, Abbé de Villers war bis zum Jahr 1802 Beichtvater und Hausgeistlicher der Oberkirchs. Die Oberkirch-Zwillinge waren damals acht Jahre alt. Warum verließ der Abbé das Gut? Baron Philippe konnte die Frage nicht beantworten, Abbé de Villers wollte es nicht. Finden Sie es für mich heraus?«
    Albert Joffe erhob sich hinter seinem Schreibtisch und öffnete das Fenster. In seinem engen Büro wurde die Luft schnell stickig, mein Herzschlag aber beschleunigte sich.
    Aufs Gut? Nach Ehnheim? In die Heimat?
    Nach Juliettes Tod war meine Devise gewesen: Setze nie mehr einen Fuß auf dieses Gut. Meide die vertrauten Perspektiven, flüchte die geliebten Bilder, die Luft, die Sprache, vergiß die Düfte von Vogesen und Rhein. Aber jetzt? Das Kapitel Juliette war dank Madame Berchods „Intervention“ doch durchgearbeitet, oder nicht? Ich fühlte meinem Herzen nach, den Gefühlen für Abbé de Villers, versuchte, mir jene Sekunde zu vergegenwärtigen, die meinem Genick die Bekanntschaft einer Champagnerflasche beschert hatte und – lächelte! Ja, ich würde fahren.
    »Wann reisen Sie?«
    »Ich habe doch noch gar nicht zugesagt.«
    »Sie wirken aber so, Monsieur Cocquéreau.«

16.
    Comte de Carnoth und seine dünkelhafte Noblesse! Comte de Carnoth und sein Fingerspitzengefühl für Überraschungen! Vor allem aber: Comte de Carnoth und seine Beziehungen!
    Ich ging zu ihm in die Rue de Bretagne und gab wie üblich im Marmorfoyer meine Karte ab. Ein Fenster stand offen, und es roch nach frischen Blumen, die aber nirgends zu sehen waren. Die Flügeltüren zum Prunksalon waren geschlossenen, schon bald jedoch öffnete sich eine von ihnen, und Hippolyte, der Hausdiener des Comtes, erschien.
    »Sie?« rief er so überrascht wie vorwurfsvoll. Er schloss die Tür, trat nah an mich heran und musterte mich von Kopf bis Fuß. »Mir dürfen Sie unter die Augen treten, Monsieur«, sagte er. »Wagen Sie aber nicht, dem Mädchen der Comtesse zu begegnen.«
    »Aha. Sie belieben mir anzudeuten: Monsieur le Comte hat hier nicht mehr die Hosen an, sondern Hélènes Mädchen. Muss ich also wieder gehen?« Mein Spott war so ätzend wie meine Stimme scharf. Hippolyte streckte den Rücken durch, und in seinen Augen sammelte sich der Hass. Beinahe hätte er meinen Mantel fallen lassen. »Im übrigen«, fuhr ich fort, »kann ich mich nicht entsinnen, dass das Personal dieses Hauses jemals der Comtesse mit dem ihr zustehenden Respekt begegnet ist.«
    »Was wissen Sie davon?«
    »Mehr als Ihr Hirn zu fassen vermag. Und wenn Sie mich jetzt nicht gleich Monsieur le Comte melden, riskieren Sie, dass ich Sie hypnotisiere. Die Folge davon wird sein: Sie rennen mit offener Hose auf den nächstbesten Markt und werden dann am Brunnen rufen: ‚Vergebt mir alle, ich bin ein böser Sünder’!«
    Die Drohung wirkte. Hippolyte wurde blaß wie sein Kragentuch und entblödete sich nicht, mit „Sehr wohl“ zu antworten, bevor er mich in den Empfangssalon führte. Zur Strafe ließ er mich warten. Aber wozu hatte ich meine neue Pfeife? Der Comte war exzentrisch, was also konnte es mir schaden, ihm diesbezüglich ein bisschen nachzueifern?
    So zog ich Tabaksbeutel und Pfeife aus der Rocktasche, dazu eine neue Zündapparatur: Chlorathölzchen, von denen mir der Verkäufer aus dem Palais Royal erzählt hatte, sie seien erst vor kurzem erfunden worden, gut handhabbar

Weitere Kostenlose Bücher