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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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gefräßig wie Karpfen in einem See, aber auch dürre und fade Xanthippen. Dann Weibchen, so fein wie Porzellan, Schönheiten, die mit den Blumen der ganzen Welt wetteifern, aber habsüchtig sind wie verrückt gewordene Hamster. Pariser Frauen! Fremdgängerinnen, Büßerinnen, verschlagene Dummgänse, brillante Rhetorikerinnen, gutmütige Schafe, Einsame, Schwindsüchtige, Flehende, derbe Arbeiterinnen und gleichgültige Betthasen. Kurtisanen mit Tripper, Dirnen mit Syphilis, zahnlose Greisinnen, kluge Beobachterinnen.
    Pariser Männer, Pariser Frauen – eitel sind sie alle, und ich selbst bin keine Ausnahme: Schlank und breitschultrig gewachsen, achte ich auf saubere Rasur und habe eine Vorliebe für feste Stoffe. Meine Anzüge und Hemden duften stets ein wenig nach Jean-Marie Farinas Eau de Cologne, dessen leichte Zitronen-Bitterorange-und-Bergamotte-Kreation mir einen vornehmen und sauberen Eindruck verleihen sollen. Schon Napoleon hat diesen Duft vor allen anderen geschätzt.
    »Ihm half es, polnische Gräfinnen zu erobern, mir nützt es, um von meiner Narbe abzulenken.«
    So pflegte ich zu antworten, wenn ich auf meinen Duft angesprochen wurde, und wischte mit dem Rücken meines Zeigefingers flüchtig über meine rechte Wange – ganz so, als wolle ich damit andeuten, dass meine Wangennarbe über ihre Äußerlichkeit hinaus auch meine Persönlichkeit und Seele zeichne.
    Was mich hingegen wirklich von anderen unterscheidet, ist meine dichterische Redekraft, die sich aber nur dann entfaltet, wenn ich neben meiner Stimme auch meine Augen einsetzen kann. Marie-Thérèse meint heute, meine Augen seien kastanienbraun, damals jedoch ein wenig heller, nämlich haselnußbraun gewesen. Ich kann es nicht beurteilen, aber da Natur und Schicksal mir nun einmal beschieden hatten, als Hypnotiseur zu wirken, paart sich die Farbe meiner Augen mit außergewöhnlicher Klarheit. Passend dazu wurde ich – so Marie-Thérèse, die es vor allen anderen beurteilen kann – mit einer wohltemperierten Samtstimme beschenkt, die so warm und magisch wirke, wie ein „Ballett dunkler Edelsteine“.
    Kurz und gut, eigentlich hätte ich damals, im Sommer 1822, ein überaus erfolgreicher Psychiater sein müssen: mit einer großen Praxis an einer der Boulevards, einem Dutzend Angestellten, eigenem Fuhrpark und einer schönen Gattin. Die Wahrheit ist eine andere: Mein von den Geisteskranken so geschätztes weiches Herz, meine Bescheidenheit und die Last, die auf meiner Seele lag, hatten damals jede Karriere verhindert. Ich war mit meinen dreißig Jahren nur ein einfacher Psychiater, der weder gut noch schlecht verdiente, wenig Geld ausgab und sich in diesem August 1822 hauptsächlich damit beschäftigte, einen geeigneten Verlag für einen Gastronomieführer ausfindig zu machen.
    Natürlich leistete ich mir auch dann und wann ein Mädchen, schließlich war ungebunden, aber das soll in keinem Fall heißen, ich verdiente das Schimpfwort „Hurenbock“. Andere Zeitgenossen, wie zum Beispiel mein Chef Roger Collard, trieben es ärger. Er prahlte oft damit, dass er beim Eintritt in ein Etablissement die häßlichste Hure auswähle, die er finden könne, und sie dann, den Zylinder noch auf dem Kopf und eine Zigarre im Mund, vor aller Augen vögele. Sich derartig zu vergnügen war mein Geschmack nicht! Trotzdem widersprach ich nicht, als Collard einmal feststellte: »Wir, Petrus, müssen sogar in die Puffs. Denn erstens dienen unsere Besuche mehr der Selbstfindung und Befreiung als der Befriedigung, und zweitens sind sie schlicht und einfach notwendig, um unter den Barmherzigen Brüdern zu überleben, anders gesagt, um nicht selbst verrückt zu werden.«
    Ich hatte bereits angedeutet, dass die Methoden der Irrenbehandlung in Charenton antiquiert waren – was vornehm ausgedrückt ist. Tatsächlich hatten sie mehr mit Barbarei zu tun. Die humanistischen Therapien des Pariser „Irren-Papstes“ Philippe Pinel und seines Schülers Jean Etienne Dominique Esquirol fanden keine Anwendung, was bedeutete, dass zum Beispiel Tobsüchtige nach wie vor von den Barmherzigen Brüdern mißhandelt wurden. So war es an der Tagesordnung, bereits leichte Aufsässigkeiten mit dem Ochsenziemer zu ahnden. In gesteigerten Fällen wurde bis zur Bewußtlosigkeit zur Ader gelassen, und nach wie vor gab es „Brüder“, die für ein paar Sous ihre Schützlinge zur Belustigung gelangweilter Touristen wie Affen an der Kette vorführten.
    Alle zwei, drei Tage passierten

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