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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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das Gegenteil? Etwas Salziges?«
    Sie kam zurück, legte den Kopf zur Seite und musterte mich eingehend.
    Sie ließ nichts aus.
    Immerhin, ich war nackt. Und wer Frauen wie Jeanne kennt, Frauen mit diesen süßen Schmollmündchen, die so ungezogen lächeln können und dabei mit den Augenbrauen winzige Wellen schlagen, weiß, welche Anstrengungen es mich kostete, wie ein Buddha sitzen zu bleiben.
    »Wenn Sie gesund sind, werden Sie mir fehlen«, sagte sie traurig.
    »Aus den Augen, aus dem Sinn, Jeanne«, sagte ich zuversichtlich. »Glauben Sie mir: Ich werde dafür sorgen.«
    Die Uhr schlug. Jeanne schrie leise auf.
    »Als diese grauenhafte Berchod ging, da war es kurz vor elf. Jetzt ist es zwei. Wie kann das sein? Wo ist die Zeit geblieben? Um Himmels willen! Haben Sie etwas mit mir gemacht?«
    »Was denn?«
    Ich klang entgeistert und schaute entsprechend. Bedächtig schwang ich mich wieder ins Bett und streckte mich gähnend unter der Bettdecke aus. Jeanne liebte Seidenbezüge.
    »Zu Debauve also soll ich gehen? Monsieur Cocquéreau, eins sage ich Ihnen: Wenn ich spüre, dass Sie mich verliebt machen wollen, dann fliegen Sie. Und zwar sofort. Egal ob Sie nackt sind. Ist das klar?«
    »Ja, Jeanne.«

15.
    Philippe wünschte brieflich gute Besserung und ließ mir, dem „Volldackel“, zur Stärkung sechs Flaschen guten Burgunder zukommen. Was er über Marie-Thérèse schrieb, klang indes alarmierend: „Sie wirkt wie eine ausgeblasene Kerze. Ausgeblasen, als sei ihr wahres Selbst erloschen.“
    Er unterzeichnete mit „Baron Halbdackel“, was für mich ein Indiz dafür darstellte, wie sehr Marie-Thérèse` Beschimpfung ihn nach wie vor umtrieb. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Philippes Sehnsucht und Eifersucht allmählich seine Konstitution zu untergraben begannen. Weil er noch immer nicht ans Ziel seiner Wünsche gekommen war, begann er die Gründe dafür nicht mehr bei sich, sondern beim Ziel selbst zu suchen. Bezeichnend dafür war seine Behauptung, dass Schönheit und Charakterlosigkeit genauso oft anzutreffen seien wie Begabung und Charakterlosigkeit. Eine Spitze gegen Marie-Thérèse, hinter der sich nichts anderes als das verklausulierte Geständnis verbarg, dass sie noch immer nicht mit Monsieur Baron Philippe Oberkirch ins Bett gegangen war.
    Ich kombinierte eitel und hoffnungsfroh: Das Rennen ist noch nicht gelaufen, Marie Thérèse hat sich zurückgezogen und tut wahrscheinlich nichts anderes, als den lieben langen Tag Beethoven zu spielen. Mit diebischem Vergnügen stellte ich mir vor, wie sie nach sechs, acht Stunden am Flügel teilnahmslos Delikatessen-Häppchen in sich hineinstopfte, während Philippe sich abmühte, sie mit irgendwelchen Plaudereien zu unterhalten, zum Beispiel solchen, wie Jeanne sie mir gestern erzählte:
    Pippo, ein italienischer Kellner, der in einem Restaurant am Quai des Théatins arbeitete, wollte sich unbedingt an seinem Nebenbuhler rächen, einem gewissen Carlo Michelangeli. Er machte sich ins Hospital von Bicêtre auf, wohl wissend, dass sich nirgendwo sonst auf der Welt so viele Leichen befanden. In Bicêtre verreckten wie eh und je die Ärmsten der Armen, und unter den Pflegern gab es noch immer genügend Wärter mit dem Gemüt hungriger Galeeren-Sträflinge. Also war es ihm ein leichtes, sich für ein paar Sous einen Arm zu besorgen. Darauf lud Pippo seinen Nebenbuhler Carlo unter dem Vorwand ein, sich versöhnend zu besaufen. Da er ja ein guter Freund sein wollte, durfte Carlo in Pippos Bett seinen Rausch ausschlafen. Nun wusste Pippo aber, dass Carlo oft von Alpträumen geplagt wird – und genau deswegen war er in Bicêtre gewesen. Pippo schlich sich unter das Bett und begann in den dunklen Morgenstunden an der Zudecke zu zupfen. Carlo, noch halb berauscht, glaubte, Pippo wolle sich einen Scherz mit ihm erlauben - griff zu und zog. Unnötig zu sagen, was er zu fassen bekam. Der Schreck war so gewaltig, dass Carlo, wie Jeanne es mir vorlas, „seitdem teilnahmslos sei und zu Krämpfen neige“.
    Ob Marie-Thérèse gelacht hat? Bestimmt nicht. Ich sehe sie vor mir, wie sie teilnahmslos die Bilder in Philipps Salon betrachtet, derweil Monsieur le Baron von seiner Leidenschaft gequält wird: Soll er sie nun anspringen wie ein Bock oder nicht? Ihr die Kleider vom Leib reißen, nach ihren Brüsten grapschen und seine zitternde Begierde zwischen ihren Hinterbacken zerfließen lassen?
    Lächerlich! Natürlich waren dies meine Phantasien! Nach zwei Wochen nackt unter

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