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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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und sicher. „Feuer, wann immer Sie es wünschen, schnell und garantiert verlässlich.“ Ich war gespannt.
    Premiere beim Comte de Carnoth.
    Ich stopfte mir eine Pfeife und klaubte eines der fingerlangen Hölzer aus der Schachtel. Darauf zog ich den Wachsbeutel mit dem Schwefelsäure-Fläschchen auf. Vorsichtig zog ich den Glasstöpsel, wohl wissend, dass die Menge in einem Eimer Wasser aufgelöst, reichen würde, eine komplette Garderobe in löcherige Lumpen zu verwandeln. Das war der Nachteil dieser Neuerung. Aber im Vergleich zur Schwefelhölzchen-Phosphor-Methode offensichtlich sicherer. Ich selbst habe erlebt, wie im letzen Sommer einer von Paris stolzen Beamten plötzlich in den Tuillerien zu brüllen begann. In seiner Hosentasche hatte sich nämlich der Phosphorbüchsen-Stöpsel gelöst, wodurch die Chemikalie durch die Sommerhitze entzündet wurde. Abgesehen von der Schmach, von einer johlenden Menge die Hose ausgezogen zu bekommen, erlitt der Beamte eine schwere Verbrennung. Denn der Phosphor brannte auf seinem Schenkel weiter, obwohl ein Limonadenverkäufer mit zwei vollen Kannen Wasser den Schenkelbrand zu löschen versuchte.
    Nun, mit diesen praktischen Verbesserung in meinen Händen sollte ein Unglück wie jenes nicht mehr passieren. Ich tunkte also den Kopf meines Hölzchens in das Fläschchen, zog es hervor und wedelte damit einmal durch die Luft. Es funktionierte. Unter beißendem Schwefelqualm und dem obszönen Gestank fauliger Eier loderte ein Flämmchen auf.
    »Heureka, es werde Licht!«
    Ich wartete ein paar Sekunden und entzündete den Tabak. Köstlich! Meine erste auswärtige Pfeife! Sorgfältig verstaute ich die Zundapparatur wieder in meiner rechten Rocktasche und deponierte das abgebrannte Hölzchen unterm Stuhl. Die Beine übereinandergeschlagen versuchte ich, diverse Rauchkringel und andere Kinkerlitzchen zu blasen, mit einem Wort, es bereitete mir kindisches Vergnügen, Comte de Carnoths Wartesalon einzunebeln.
    Die Tür ging auf. An dem entgeistert blickenden Hippolyte stürzte, spitze Schreie ausstoßend, Hélènes Mädchen vorbei, lief auf die Fenster zu, riss sie ungestüm auf. Durch den Rauch trat der Diener auf mich zu, blieb vor mir stehen und sagte mit Grabesstimme: »Ich kann es nicht ändern: Monsieur le Comte wünscht, dass ich Sie zu ihm führe.«
    Seine Miene war die eines verstummten Klageweibs, das dabei war, Kraft für die Rache zu sammeln. Wie musste er seinen Herrn beneiden, der die Macht hatte, tun und lassen zu können, was ihm versagt war. Wie würde mich der Compte empfangen? Meine Spannung wuchs. Mit dampfender Pfeife stieg ich die Treppe hoch.
    Hippolyte wies auf eine Tür, öffnete sie und trat finster zur Seite. Das typisch helle Geräusch zweier Kugeln, die aneinanderstoßen, begrüßte mich. Gleich darauf schnarrte ein näselndes „Parfaitement!“
    Comte de Carnoth vertrieb sich also die Zeit beim Billard-Spiel. Eine dampfende Pfeife, entschied ich, paßte gut dazu. Lächelnd trat ich in den getäfelten Spielsalon. Der Comte zielte mit seiner mahagoni-farbenen Queue gerade auf eine Kugel – ich aber schaute geradewegs in das Ruinen-Gesicht Abbé de Villers´. Er nickte mir zu, eine Braue über seinen rot umrandeten Augen zuckte.
    »Der Abbé«, sagte der Comte, »ist mein Gefangener, Petrus. Ganz so, wie es sich für alte Freunde geziemt. Seien Sie mir willkommen.«
    Er legte seine Queue auf die Bande und reichte mir die Hand. Sofort entspann sich ein Dialog über Sinn und Unsinn des Pfeiferauchens. Höfliches Wortgeplänkel, bei dem der Comte seine Kennerschaft bewies, indem er mir auf den Kopf zusagte, ich rauche einen leichten Virginia. Ich durfte weiterschmauchen, während Comte und Abbé ihre Partie zu Ende spielten. Beider Spott war mir sicher, denn der Tabak in meinem Pfeifchen wollte und wollte nicht weniger werden.
    »Da gab´s zu Zeiten des gräßlichen Preußenkönigs einen Gardeoffizier, der tagsüber dermaßen paffte, dass der Himmel von seinen Rauchwolken verschmiert wurde.« Comte de Carnoth schaute mir tief in die Augen, schärfte seine Queue und fuhr fort: »Abends fiel aus den vermaledeiten Wolken dann ein gelber Regen, schmierig wie Auswurf. Die Pfützen stanken, die ganze Stadt stank, und das war selbst dem König zu viel. Er ließ den Mann in den Kerker werfen, war aber so gnädig, dem langen Kerl Pfeife und Tabak zu lassen. Trotzig dampfte der Gardist im Kerker, was er so ausgiebig machte, dass er damit das gesamte Ungeziefer

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