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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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erstemal lernte ich wirklichen Luxus kennen: Brokat, der den Händen schmeichelte wie Seifenwasser, warmen Marmor, nach Jasmin duftende Seidenbettwäsche. An jenem Tag dann, an dem ich in ein billigeres Hotel umziehen wollte, machte Monsieur Érard mich mit Ludwig Oberkirch bekannt. Der Baron war sofort bereit gewesen, mich in seinem Wagen zum Notre-Dame-Hôtel zu fahren … was sich wenig später freilich als seine Wohnung herausstellen sollte. Doch weil der Herr Baron behauptete, meinen Onkel zu kennen, er einen wundebaren Flügel hatte und Paris bekanntermaßen die teuerste Stadt der Welt war, entschied ich mich zu bleiben.
    Ludwig hatte mich entführt wie eine Prinzessin, aber mir war es recht. Und mochte er auch eindeutige Absichten haben, er schmeichelte mir damit nur. Ich gefiel mir außerordentlich gut in der Rolle der begehrten und begehrenswerten Frau. So gab es nichts Schöneres für mich, Ludwig und Philippe zu reizen und sie in eifersüchtige Hähne zu verwandeln. Wann immer wir zu dritt waren, hatte ich die Kokette und Laszive gespielt und die erotischen Spannungen genossen. In meinen geheimsten Träumen stellte ich mir vor, wie verlockend es sein müßte, aus meiner Rolle der agierenden Pianistin in die passive, lauernde Rolle meines Instrumentes zu schlüpfen: einfach nur dazuliegen, stumm zu locken, ruhig mich auszustrecken und dabei mit dem Körper dem Spiel zweier Paar Hände zu lauschen. Wie es wohl wäre, wenn ich mich nackt, mit duftender Haut, glatt wie poliertes Holz, dem Begehren zweier Männer präsentierte? Ich hatte mir Tagträume geleistet, in denen zwei Handpaare auf meinem Körper präludierten, mich forderten und reizten, solange, bis sie meinem Leib Schwingungen unbändiger Begierde entlockt hatten. Bislang hatte ich mich nach solchen Träumereien stets um so eifriger und konzentrierter auf die Tasten gestürzt, so als müsse ich damit kompensieren, was ich meinem Körper bislang noch versagte. Doch mit Ludwigs Tod waren diese erotischen Gefühle verflogen. Ich begriff, dass ich Ludwig nicht rein und absolut geliebt hatte, sondern nur die Gefühle, die er und sein Zwillingsbruder in mir entfesselt hatten.
    Konnte Philippe ihn ersetzen? Auch wenn ich Petrus jetzt weh tue, ich werde einen Vergleich wagen: Männer sagen bekanntlich gerne, diese oder jene Frau sei genau richtig für ein Schäferstündchen – nun, so ähnlich empfand ich für Philippe. Aber ich täte ihm unrecht, ihn darauf zu reduzieren. Sein frischer Enthusiasmus und seine Großzügigkeit nahmen mich sehr für ihn ein – nur, Schäferstündchen leistete ich mir lieber in der Phantasie. So sehr mir seine entgegenströmende Sinnlichkeit schmeichelte, ich verlangte mehr. Wünschte eine größere Dimension, etwas, das mich den Alltag vollständig vergessen ließ.
    Petrus hat sein Schicksal, ich das meine. Allein seine Stimme war für mich ein Ohrenschmaus, dann wieder war er der erste Mensch, dessen Augen ich nicht nur fühlte, sondern sehen zu können glaubte. Doch Philippe zu verlieren? Ich hatte schon Ludwig verloren. Meinen lieben Ludwig. Philippe war wie Zucker, Petrus das Salz. Der Mensch aber braucht beides.
    Nun bin ich abgeschweift. Es ist Zeit, auf die Bühne des Conservatoire zurückzukehren, wo mir mein Onkel wieder einmal androhte, mich zu züchtigen. Aber Hunde, die bellen, beißen nicht. Ich konnte mir also noch allerlei an Provokation erlauben.
    »Du willst mich züchtigen?« fragte ich mit aller Unschuld, der ich fähig war. »Ein blindes Mädchen? Hast du mich deswegen aus dem Kloster befreit? Sprich es aus. Stecke mich in eine Zwangsjacke, wie man es dort schon einmal mit mir gemacht hat. Schlage mir mit dem Rücken des Gebetbuches auf die Fingernägel. Oder stich mir mit der Spindel in meine ach so sündigen Fingerkuppen.«
    »Schweig!«
    »Wie Abbé Balthasar de Villers befehlen!«
    Meine Antwort war eisig. Kontraste sind das Wesen der Musik.
    Ich griff zur Glocke und klingelte nach dem Konservatoriumsdiener. Er paßte vor dem Großen Saal auf, dass mich niemand während des Einspielens störte. Kaum dass er die Tür öffnete, stürmte ein Schwarm aufgeregter Elevinnen auf die Bühne. Ich vernahm das Rascheln von Kleidern, hörte Gewisper, Kichern und aufgeregtes Tuscheln. Ein kühler Windhauch streifte mich, aber schon im nächsten Augenblick war die Luft voller Veilchen- und Rosenparfum.
    »Entschuldigung, wir sind gleich wieder weg! Aber hätten so gern ein Autogramm!«
    Ich lachte hell auf und

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