Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
sich im Autodach spiegelte. Ich sah, dass sich über dem Wald der Himmel verfinsterte. Vielleicht würde es am Abend mehr Regen geben.
»In der morgigen Ausgabe wird ein Interview mit Ihrer Patientin stehen. Sie sagt ziemlich üble Dinge über Sie«, bemerkte der Journalist kurz.
Ich begegnete seinem Blick. Er hatte ein recht sympathisches Gesicht. Ein Mann mittleren Alters, leicht übergewichtig.
»Sie haben die Chance, darauf zu reagieren«, ergänzte er leise.
Die Fenster im Haus waren dunkel. Simone war bestimmt in der Stadt, in den Räumen ihrer Galerie. Benjamin war noch in der Vorschule.
Ich lächelte den Mann an, und er sagte aufrichtig:
»Sonst wird ihre Version unwidersprochen in den Druck gehen.«
»Es würde mir nicht einmal im Traum einfallen, mich öffentlich über eine Patientin zu äußern«, erklärte ich langsam, ging an den beiden Männern vorbei zur Auffahrt, schloss die Haustür auf, ging hinein, blieb im Flur stehen und hörte sie davonfahren.
Am nächsten Morgen klingelte das Telefon bereits gegen halb sieben. Es war Annika Lorentzon.
»Erik, Erik«, sagte sie mit gepresster Stimme. »Hast du die Zeitung gelesen?«
Simone setzte sich neben mir im Bett auf und warf mir einen besorgten Blick zu. Ich machte eine abwehrende Geste und ging in den Flur.
»Wenn es um ihre Anschuldigungen geht, wird ja wohl jedem klar sein, dass sie lügt und …«
»Nein«, unterbrach sie mich gellend. »Das ist nicht jedem klar. Viele sehen sie als einen wehrlosen, schwachen und verletzlichen Menschen, als eine Frau, die in die Klauen eines ausgesprochen manipulativen und unseriösen Arztes geraten ist. Der Mann, dem sie wie keinem anderen vertraut hat, dem sie sich anvertraut hat, dieser Mann hat sie verraten und ausgenutzt. So steht es in der Zeitung.«
Ich hörte sie im Hörer heftig atmen. Als sie weitersprach, klang sie heiser und müde.
»Dir muss doch klar sein, dass die Sache unserer gesamten Einrichtung schadet.«
»Ich schreibe eine Gegendarstellung«, erklärte ich kurz.
»Das reicht nicht, Erik. Ich fürchte, das wird nicht reichen.«
Sie machte eine kurze Pause und sagte dann mit tonloser Stimme:
»Sie will uns verklagen.«
»Damit kommt sie nicht durch«, schnaubte ich.
»Erik, du kapierst immer noch nicht, wie ernst das ist, oder?«
»Was sagt sie denn?«
»Ich schlage vor, du kaufst dir die Zeitung. Anschließend solltest du dich in Ruhe hinsetzen und dir überlegen, wie du darauf reagieren möchtest. Der Vorstand erwartet dich heute um 16 Uhr.«
Als ich mein Gesicht auf der Titelseite sah, hatte ich das Gefühl, meine Herzschläge würden sich verlangsamen. Es war eine Nahaufnahme von mir in Zipfelmütze und Sweater, mein Gesicht war rot angelaufen, und ich sah fast schon apathisch aus. Ich stieg auf wackligen Beinen vom Fahrrad, kaufte die Zeitung und kehrte heim. Der Mittelteil des Blatts wurde von einem gepixelten Foto Lydias geziert, die zusammengekauert mit einem Teddybär im Arm saß. Der gesamte Artikel kreiste darum, dass ich, Erik Maria Bark, sie hypnotisiert und als Versuchskaninchen benutzt und mit der Behauptung verfolgt hatte, sie habe ein Kind misshandelt. Dem Reporter zufolge hatte sie geweint und erklärt, Schmerzensgeld interessiere sie nicht, da Geld niemals wiedergutmachen könne, was ich ihr angetan habe. Sie sei völlig verzweifelt gewesen und habe Dinge gestanden, die ich ihr in den Mund gelegt hatte, als sie unter Hypnose stand. Der unrühmliche Höhepunkt meiner Verfolgungen sei erreicht worden, als ich in ihr Haus gestürmt sei und sie aufgefordert hätte, Selbstmord zu begehen. Sie habe einfach nur sterben wollen, behauptete sie, sie sei sich vorgekommen wie ein Mitglied einer Sekte, deren Anführer ich war. Sie habe keinen eigenen Willen mehr gehabt. Erst im Krankenhaus habe sie es gewagt, meine Methoden in Frage zu stellen. Nun verlangte sie, dass mir nie wieder die Chance gegeben werden dürfe, andere Menschen so zu behandeln.
Auf der nächsten Seite folgte ein Bild von Marek. Er gab Lydia Recht und erklärte, meine Vorgehensweise sei lebensgefährlich. Ich sei besessen davon, kranke Dinge zu erfinden, die meine Patienten dann unter Hynose gestehen müssten.
Weiter unten auf derselben Seite hatte sich der Experte Göran Sörensen geäußert. Ich hatte von dem Mann noch nie gehört. Jedenfalls verwarf er meine gesamte Forschungsarbeit, setzte Hypnose auf eine Stufe mit spiritistischen Sitzungen und deutete an, dass ich meine
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