Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
meinst du das?«, fragte ich. »Was ist meine Schuld?«
»Das«, antwortete Lydia und zog das Messer über ihren Hals.
Als das Blut auf ihre Schürze und die nackten Füße spritzte, sah sie mir in die Augen. Ihr Mund zitterte. Das Messer fiel zu Boden. Eine Hand suchte tastend nach Halt. Sie sank zu Boden und blieb auf einer Hüfte sitzen wie eine Meerjungfrau.
Annika Lorentzon lächelte befangen. Rainer Milch streckte sich über den Tisch und schenkte sich ein Glas Mineralwasser mit zischender Kohlensäure ein. Sein Manschettenknopf funkelte königsblau und golden.
»Dir dürfte klar sein, warum wir möglichst schnell mit dir sprechen wollten«, sagte Peder Mälarstedt und zog seine Krawatte gerade.
Ich betrachtete die Akte, die sie mir übergeben hatten und in der stand, dass Lydia mich angezeigt hatte. Sie behauptete, ich hätte sie dadurch zu ihrem Selbstmordversuch getrieben, dass ich sie bedrängt hätte, Dinge zu gestehen, die völlig aus der Luft gegriffen waren. Sie klagte mich an, sie als Versuchskaninchen missbraucht und während der Tiefenhypnose falsche Erinnerungen in ihr Gehirn eingespeist zu haben. Darüber hinaus hätte ich sie von Anfang an vor den Augen der anderen rücksichtslos und zynisch schikaniert, bis sie völlig fertig war.
Ich blickte von den Papieren auf.
»Soll das ein Witz sein?«
Annika Lorentzon sah fort. Holsteins Mund stand offen, und sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, als er sagte:
»Sie ist deine Patientin, und das sind schwerwiegende Anschuldigungen.«
»Aber das sind doch ganz offensichtlich Lügen«, erwiderte ich aufgebracht. »Es ist völlig unmöglich, während einer Hypnose Erinnerungen in ein Gehirn einzuspeisen, ich kann Menschen zu Erinnerungen hinführen, aber mich nicht für sie erinnern … Es ist wie eine Tür, ich führe sie zu Türen, aber ich kann diese Türen nicht öffnen.«
Rainer Milch sah mich ernst an.
»Der bloße Verdacht könnte deine ganze Forschung zunichtemachen, Erik, du verstehst doch sicher, wie ernst die Sache ist.«
Ich schüttelte gereizt den Kopf.
»Sie hat mir etwas über ihren Sohn erzählt, und ich fand es so gravierend, dass ich mich gezwungen sah, das Jugendamt einzuschalten. Aber dass sie so reagieren würde, war …«
Ronny Johansson unterbrach mich abrupt:
»Aber sie hat doch gar keine Kinder, das steht hier schwarz auf weiß.«
Er klopfte mit dem Mittelfinger auf die Akte. Ich schnaubte laut, woraufhin Annika Lorentzon mir einen seltsamen Blick zuwarf.
»Erik, es gereicht deiner Sache sicher nicht zum Vorteil, wenn du dich in der momentanen Lage arrogant verhältst«, sagte sie leise.
»Aber wenn jemand einen Haufen Lügen über mich verbreitet?«, sagte ich wütend grinsend.
Sie lehnte sich über den Tisch.
»Erik«, sagte sie langsam. »Sie hat niemals Kinder gehabt.«
»Sie hat keine Kinder?«
»Nein.«
Es wurde still im Raum.
Ich sah die Blasen im Mineralwasser an die Oberfläche steigen.
»Ich begreife das nicht, sie wohnt noch in ihrem Elternhaus«, versuchte ich, es ihnen möglichst ruhig zu erklären. »Alle Details stimmten, ich kann einfach nicht glauben, dass …«
»Du magst es zwar nicht glauben«, unterbrach Milch mich. »Aber du hast dich geirrt.«
»Wenn sie unter Hypnose stehen, können sie nicht lügen.«
»War sie vielleicht gar nicht hypnotisiert?«
»Doch, das war sie, das merke ich, das Gesicht verändert sich.«
»Das spielt im Übrigen auch keine Rolle mehr, der Schaden ist da.
»Wenn sie keine Kinder hat, ich weiß nicht«, fuhr ich fort. »Vielleicht hat sie dann über sich gesprochen, ich habe so etwas zwar noch nie erlebt, aber vielleicht hat sie auf die Art eine eigene Kindheitserinnerung verarbeitet.«
Annika unterbrach mich:
»Das mag ja alles sein, aber Tatsache bleibt, dass deine Patientin einen schwerwiegenden Selbstmordversuch unternommen hat, für den sie dich verantwortlich macht. Wir schlagen vor, dass du dich beurlauben lässt, solange wir die Vorwürfe untersuchen.«
Sie lächelte mich blass an.
»Das wird schon wieder, Erik, da bin ich mir sicher«, sagte sie sanft. »Aber im Moment musst du dich heraushalten, bis wir alles überprüft haben. Wir können es uns nicht leisten, dass die Presse sich auf die Sache stürzt.«
Ich dachte an meine anderen Patienten, an Charlotte, Marek, Jussi, Sibel, Pierre und Eva. Sie waren Menschen, die ich nicht von heute auf morgen fallen lassen konnte, sie würden sich verraten, hintergangen
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