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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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klopft und winkt. Die Frau sieht die beiden an und schüttelt den Kopf. Joona zeigt ihr durch die Scheibe seinen Dienstausweis, aber sie schüttelt bloß noch einmal den Kopf. Erik sucht in seinen Taschen und findet einen Umschlag mit Quittungen, die er in der Personalabteilung einreichen wollte. Er tritt vor die Fensterscheibe, klopft an und hält den Umschlag hoch. Die Frau geht daraufhin sofort zur Tür und drückt auf den Türöffner.
    »Sind Sie von der Post?«, fragt sie krächzend.
    »Eilzustellung«, antwortet Erik.
    »Hier gibt es immer so viel Geheul und Geschrei«, flüstert die Frau zur Wand gedreht.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragt Joona.
    Erik studiert die Namenstafel und entdeckt im ersten Stock eine Veronica Andersson. Die enge Treppe ist mit großen Tags in roter Farbe besprüht. Aus dem Müllschlucker stinkt es.
    Sie bleiben vor der Tür mit dem Namen Andersson stehen und klingeln. Lehmige Spuren von Kinderstiefeln führen treppauf und treppab.
    »Klingel noch einmal«, sagt Erik.
    Joona öffnet den Briefeinwurf und ruft, er habe einen Brief vom Wachturm für sie. Erik sieht, dass der Kopf des Kommissars wie von einer Druckwelle getroffen zurückschnellt.
    »Was ist los?«
    »Ich weiß es nicht, aber ich möchte, dass du draußen wartest«, erwidert Joona mit gestresstem Blick.
    »Nein«, widerspricht Erik.
    »Ich gehe da allein hinein.«
    Hinter einer der anderen Türen im ersten Stock fällt ein Glas zu Boden. Joona zieht ein Etui mit zwei dünnen Stahlgegenständen aus der Tasche. Der eine ist an der Spitze gebogen, der andere ähnelt einem sehr schmalen Schlüssel.
    Als hätte Joona Eriks Gedanken gelesen, murmelt er, man dürfe durchaus auch ohne einen Durchsuchungsbefehl in eine Wohnung eindringen.
    »Nach der neuesten Gesetzeslage reichen triftige Gründe völlig aus«, erläutert er.
    Er hat gerade das erste Instrument in das Schlüsselloch eingeführt, als Erik eine Hand ausstreckt und die Klinke hinunterdrückt. Die Tür ist nicht abgeschlossen. Als sie aufschwingt, schlägt ihnen ein bestialischer Gestank entgegen. Joona zieht seine Waffe und befiehlt Erik mit einer energischen Geste, draußen zu warten.
    Erik hört sein Herz in der Brust hämmern, das Blut in den Ohren rauschen. Die Stille ist unheilverkündend. Benjamin ist nicht hier. Das Licht im Treppenhaus erlischt, und er steht im Dunkeln. Es ist zwar nicht stockfinster, aber Eriks Augen fällt es schwer, feste Punkte zu finden.
    Plötzlich steht Joona vor ihm.
    »Ich glaube, du musst mitkommen, Erik«, sagt er.
    Sie betreten die Wohnung, und Joona schaltet das große Licht ein. Die Tür zum Badezimmer steht offen. Der Verwesungsgeruch ist unerträglich. In der trockenen, verkratzten Badewanne liegt Eva Blau. Ihr Gesicht ist aufgequollen, Fliegen krabbeln um ihren Mund und schwirren durch die Luft. Die blaue Bluse ist hochgerutscht; der Bauch ist aufgedunsen und blaugrün. An beiden Armen sieht man tiefe schwarze Längsschnitte. Der Stoff der Bluse und die blonden Haare kleben im geronnenen Blut fest. Die Haut ist blassgrau, und am ganzen Körper sieht man ein deutliches braunes Adergeflecht. Das stillstehende Blut ist in den Venen verfault. In ihren Augenwinkeln und um Nasenlöcher und Mund erkennt man kleine gelbe Fliegeneier. Das Blut ist aus dem Bodenablauf hochgeschwemmt worden und auf den kleinen Badezimmerteppich geflossen. Fransen und Ränder sind dunkel verfärbt. Neben der Leiche liegt ein blutiges Küchenmesser in der Wanne.
    »Ist sie das?«, fragt Joona.
    »Ja. Das ist Eva.«
    »Sie ist seit mindestens einer Woche tot«, sagt Joona. »Der Bauch ist stark aufgebläht.«
    »Das ist mir klar«, erwidert Erik.
    »Dann kann sie Benjamin nicht entführt haben«, stellt Joona fest.
    »Ich muss nachdenken«, sagt Erik. »Ich habe geglaubt …«
    Er sieht aus dem Fenster und erblickt den flachen Backsteinbau auf der anderen Seite der Eisenbahngleise. Von ihrem Fenster aus konnte Eva den Königreichssaal der Zeugen Jehovas sehen. Er denkt, dass ihr dies vermutlich ein Stück Geborgenheit geschenkt hat.

40.
     
    Donnerstagvormittag, der siebzehnte Dezember
     
     
     
     
     
    Simone spürt plötzlich einen Tropfen Blut aus ihrer Unterlippe quellen. Ohne es zu merken, hat sie sich gebissen. All ihre Energie wendet sie dafür auf, diese Gedanken fernzuhalten. Ihr Vater ist von einem Auto angefahren worden und liegt seit zwei Tagen in einem dunklen Zimmer im Sankt-Görans-Krankenhaus. Bis jetzt hat man noch nicht feststellen

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