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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Jacke auf, setzt die Elektroden von Shulmans Brust auf seine eigene, nimmt die Klemme vom Zeigefinger des Mannes, befestigt sie an seinem eigenen und beobachtet stehend Shulmans Gesicht.
    Es geschieht nichts. Shulmans Bauch hebt und senkt sich mit Hilfe des Beatmungsgeräts regelmäßig.
    Erik hat einen trockenen Mund und friert.
    »Sollen wir gehen?«, fragt Simone nach einer Weile.
    »Warte«, flüstert Erik.
    Seine Armbanduhr tickt langsam. Im Fenster fällt ein Blütenblatt aus einem Strauß und raschelt kurz, als es auf dem Boden landet. Regentropfen schlagen gegen das Fenster. Aus einem fernen Zimmer dringt das Lachen einer Frau zu ihnen herein.
    Ein seltsames Zischen dringt aus Shulmans Körper wie eine schwache Brise durch ein halb geschlossenes Fenster.
    Simone spürt Schweiß aus ihren Achselhöhlen am Körper hinunterlaufen. Sie fühlt sich in der Situation gefangen und bekommt Platzangst. Am liebsten würde sie aus dem Zimmer rennen, kann aber den Blick nicht mehr von Shulmans Hals abwenden. Vielleicht bildet sie es sich nur ein, aber plötzlich kommt es ihr vor, als würde die kräftige Schlagader in seinem Hals schneller pulsieren. Erik atmet schwer, und als er sich über Shulman beugt, sieht sie, dass er nervös wirkt, sich auf die Unterlippe beißt und nochmals einen Blick auf die Uhr wirft. Es passiert nichts. Das Beatmungsgerät zischt metallisch. Jemand geht an der Tür vorbei. Die Räder eines Wagens quietschen im Flur, dann wird es wieder still. Das einzige Geräusch kommt von der rhythmisch arbeitenden Maschine.
    Plötzlich hört man ein leise scharrendes Geräusch. Simone begreift nicht, woher es kommt. Erik ist etwas zur Seite gewichen. Das Scharren geht weiter. Simone erkennt, dass es von Shulman kommen muss. Sie nähert sich ihm und sieht, dass sich sein Zeigefinger auf dem Laken bewegt. Ihr Herz schlägt schneller, und sie will gerade etwas zu Erik sagen, als Shulman die Augen öffnet. Er starrt sie mit einem seltsamen Blick an. Sein Mund verzieht sich zu einer ängstlichen Grimasse. Seine Zunge bewegt sich träge, Speichel läuft ihm aufs Kinn herab.
    »Ich bin es, Sim. Ich bin es«, sagt sie und nimmt seine Hand in ihre Hände. »Ich werde dich ein paar sehr wichtige Dinge fragen.«
    Shulmans Finger zittern langsam. Sie weiß, dass er sie sieht, aber dann rollen seine Augen nach hinten, der Mund spannt sich an, und die Adern in seinen Schläfen treten deutlich hervor.
    »Als Benjamin angerufen hat, hast du das Gespräch an meinem Handy angenommen, erinnerst du dich?«
    Erik, der Shulmans Elektroden auf seiner Brust hat, sieht auf dem Kontrollschirm, dass sich seine Herzfrequenz erhöht. Shulmans Füße vibrieren unter dem Laken.
    »Sim, hörst du mich?«, fragt sie. »Ich bin es, Simone. Hörst du mich, Sim?«
    Seine Augen kehren zurück, gleiten jedoch sofort wieder ab. Das Geräusch schneller Schritte dringt vom Flur herein, eine Frau ruft etwas.
    »Du bist an mein Handy gegangen«, wiederholt sie.
    Er nickt schwach.
    »Mein Sohn war dran«, fährt sie fort. »Benjamin hat ange­rufen …«
    Seine Füße beginnen wieder zu zittern, die Augen rollen nach hinten, und seine Zunge gleitet aus dem Mund.
    »Was hat Benjamin gesagt?«, fragt Simone.
    Shulman schluckt, kaut langsam, die Lider sinken herab.
    »Sim? Was hat er gesagt?
    Er schüttelt den Kopf.
    »Er hat nichts gesagt?«
    »Nicht …«, haucht Shulman.
    »Was hast du gesagt?«
    »Nicht Benja…«, sagt er fast lautlos.
    »Er hat nichts gesagt?«, fragt Simone.
    »Nicht er«, sagt Shulman mit heller und ängstlicher Stimme.
    »Wie bitte?«
    »Ussi?«
    »Was sagst du?«, fragt sie.
    »Jussi rief an …«
    Shulmans Mund zittert.
    »Wo war er?«, fragt Erik. »Frag ihn, wo Jussi war.«
    »Wo war Jussi?«, fragt Simone. »Weißt du das?«
    »Zu Hause«, antwortet Shulman.
    »War Benjamin auch da?«
    Shulmans Kopf fällt zur Seite, sein Mund erschlafft, und das Kinn legt sich in Falten. Simone sieht Erik gestresst an, sie weiß nicht, was sie tun soll.
    »War Lydia da?«, fragt Erik.
    Shulman blickt auf, seine Augen gleiten zur Seite.
    »War Lydia da?«, fragt Simone.
    Shulman nickt.
    »Hat Jussi etwas davon gesagt …«
    Simone verstummt, als Shulman wimmert. Sie tätschelt zärtlich seine Wange, und er sieht ihr plötzlich in die Augen.
    »Was ist passiert?«, fragt er ganz klar und fällt anschließend wieder ins Koma.

48.
     
    Samstagnachmittag, der neunzehnte Dezember
     
     
     
     
     
    Anja betritt Joona Linnas Zimmer

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