Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
ich dir sagen, was ich glaube? Ich denke, dass ein bisschen Zigarettenrauch nicht weiter seltsam ist. Wahrscheinlich hat einer der Nachbarn an der Dunstabzugshaube geraucht. Das ganze Haus hängt an den gleichen Lüftungsschächten. Oder irgendein Bösewicht hat eine Zigarette im Treppenhaus geraucht, ohne darüber nachzudenken, dass …«
»Deine herablassende Art kannst du dir sparen«, sagt Simone kurz angebunden.
»Mein Gott, Sixan, jetzt mach doch nicht gleich aus jeder Mücke einen Elefanten, ich glaube wirklich, dass die Sache völlig harmlos ist und wir jeden Moment eine einleuchtende Erklärung bekommen werden.«
»Als ich wach wurde, habe ich gespürt, dass jemand in der Wohnung ist«, sagt sie gedämpft.
Er seufzt und verlässt die Küche. Simone betrachtet das graue und schmutzige Handtuch, mit dem sie den Fußboden vor dem Kühlschrank trocken gewischt hat.
Benjamin kommt herein und setzt sich auf seinen Platz.
»Morgen«, sagt sie.
Er seufzt und lümmelt sich mit dem Kopf in den Händen an den Tisch.
»Warum lügt ihr beide so oft?«
»Das tun wir doch gar nicht«, antwortet sie.
»Dann eben nicht.«
»Du findest, dass wir oft lügen?«
Er antwortet nicht.
»Denkst du an das, was ich im Taxi gesagt …«
»Ich denke an eine Menge Dinge«, unterbricht er sie laut.
»Schrei mich nicht an.«
»Vergiss, was ich gesagt habe«, seufzt er.
»Ich weiß nicht, wie es mit mir und Papa weitergehen wird. Das ist alles nicht so einfach«, sagt sie. »Du hast sicher Recht, wenn du meinst, dass wir uns selbst etwas vormachen, aber das ist nicht das Gleiche wie lügen.«
»Jetzt hast du es selber gesagt«, erwidert er leise.
»Gibt es noch etwas, woran du denkst?«
»Es gibt von mir keine Bilder als kleines Kind.«
»Aber sicher«, widerspricht sie lächelnd.
»Von mir als Säugling«, beharrt er.
»Du weißt doch, dass ich mehrere Fehlgeburten hatte, bevor du … also, es war so, als du geboren wurdest, haben wir uns so gefreut, dass wir völlig vergessen haben, Fotos zu machen. Ich weiß noch genau, wie du als Säugling aussahst, du hattest diese zerknitterten Ohren und …«
»Hör auf«, schreit Benjamin und geht in sein Zimmer.
Erik kommt in die Küche und lässt ein Mittel gegen Sodbrennen in ein Glas Wasser fallen.
»Was ist denn mit Benjamin los?«, fragt er.
»Ich weiß es nicht«, flüstert sie.
Erik trinkt die Flüssigkeit über die Spüle gebeugt.
»Er findet, dass wir ständig lügen«, sagt sie.
»So denken alle Teenager.«
Erik rülpst leise.
»Mir ist herausgerutscht, dass wir uns trennen wollen«, erzählt sie.
»Wie kannst du nur so bescheuert sein?«, sagt er hart.
»Ich habe nur gesagt, was ich in dem Moment empfunden habe.«
»Zum Teufel, du kannst doch nicht immer nur an dich denken.«
»Das tue ich auch nicht, ich schlafe nicht mit Praktikantinnen, ich nehme nicht …«
»Halt’s Maul«, brüllt er.
»Ich nehme nicht massenhaft Tabletten, um …«
»Du weißt gar nichts!«
»Ich weiß, dass du starke Schmerztabletten nimmst.«
»Was geht dich das an?«
»Hast du irgendwelche Schmerzen, Erik? Sag mir, ob du …«
»Ich bin Arzt, und ich denke, dass ich das hier ein bisschen besser beurteilen kann als …«
»Mich täuschst du nicht«, unterbricht sie ihn.
»Wie meinst du das?«, lacht er.
»Du bist abhängig, Erik, wir schlafen nicht mehr miteinander, weil du große Mengen starker Tabletten nimmst, die …«
»Vielleicht will ich ja nur nicht mit dir schlafen«, unterbricht er sie. »Warum sollte ich mit dir schlafen wollen, wenn du ständig so verdammt unzufrieden mit mir bist?«
»Dann trennen wir uns eben«, sagt sie.
»Gut«, erwidert er.
Sie kann ihn nicht ansehen, geht nur langsam aus der Küche, spürt, wie ihr Hals sich spannt und schmerzt und ihr Tränen in die Augen schießen.
Benjamin hat die Tür zu seinem Zimmer geschlossen und die Musik so laut aufgedreht, dass Wände und Türen wackeln. Simone schließt sich im Badezimmer ein, löscht das Licht und weint.
»Verdammte Scheiße«, hört sie Erik im Flur schreien, ehe er die Wohnungstür öffnet und hinter sich zuschlägt.
16.
Freitagmorgen, der elfte Dezember
Es war noch keine sieben Uhr, als Joona Linna von Doktor Daniella Richards angerufen wurde. Sie erklärte, Josef könne jetzt kürzere Vernehmungen durchhalten, auch wenn er immer noch in dem Zimmer neben dem Operationssaal liege.
Als Joona sich ins Auto setzt, um zum Krankenhaus
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