Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
er einen Stuhl herausziehen und sich setzen.
»Ja«, sagt er. »Ich habe Zeit.«
»Als wir draußen auf Värmdö waren, beim Sommerhaus der Tante«, setzt Erik an. »Ich saß ja im Wagen und sah eine Frau zwischen den Bäumen. Sie hielt eine Schrotflinte in der Hand. Irgendwie war mir klar, dass es Evelyn sein musste, und ich dachte mir, dass eine gefährliche Situation entstehen könnte, wenn sie von der Polizei überrascht wird.«
»Stimmt, sie hätte durchs Fenster schießen können«, bestätigt Joona. »Zum Beispiel, wenn sie mich für Josef gehalten hätte.«
»Ich habe hier zu Hause gesessen und noch einmal über Evelyn nachgedacht«, fährt Erik fort. »Ich habe sie wie gesagt zwischen den Bäumen gesehen. Sie ging langsam auf das Haus zu, hielt die Flinte in einer Hand und ließ den Lauf über die Erde schleifen.«
»Und?«
»Trägt man so ein Gewehr, wenn man Angst hat, ermordet zu werden?«
»Nein«, antwortet Joona.
»Ich glaube, dass sie in den Wald gegangen ist, um sich umzubringen«, sagt Erik. »Die Knie ihrer Jeans waren nass. Wahrscheinlich hat sie im feuchten Moos gekniet, das Gewehr auf Stirn oder Brust gerichtet, es sich dann aber anders überlegt, sich nicht getraut. Jedenfalls glaube ich, dass es so war.«
Erik verstummt. Er hört Joona schwer in den Hörer atmen. Auf der Straße hupt eine Autoalarmanlage.
»Danke«, sagt Joona. »Ich werde zu ihr fahren und mit ihr reden.«
18.
Freitagnachmittag, der elfte Dezember
Evelyn wird in einem Büro der Strafvollzugsabteilung vernommen. Um das triste Zimmer etwas gemütlicher zu gestalten, hat jemand eine rote Pfefferkuchendose aus Blech und elektrische Kerzenständer von Ikea in die Fenster gestellt. Evelyn und ihr Zeugenbeistand sitzen bereits, als Joona das Aufnahmegerät anstellt.
»Ich weiß, dass meine Fragen Ihnen zusetzen werden, Evelyn«, sagt er leise und sieht sie kurz an. »Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie trotzdem beantworten würden, so gut Sie können.«
Evelyn antwortet nicht, sondern blickt auf ihre Knie hinab.
»Ich glaube nämlich nicht, dass es für Sie von Vorteil ist zu schweigen«, fährt er sanft fort.
Sie reagiert nicht, starrt nur nach unten. Ihr Beistand, ein Mann mittleren Alters mit unrasiertem Gesicht, sieht Joona ausdruckslos an.
»Soll ich anfangen, Evelyn?«
Sie schüttelt den Kopf. Er wartet. Kurze Zeit später hebt sie den Kopf und begegnet seinem Blick.
»Sie sind mit dem Gewehr in den Wald gegangen, um sich das Leben zu nehmen, habe ich Recht?«
»Ja«, flüstert sie.
»Ich bin froh, dass Sie es nicht getan haben.«
»Ich nicht.«
»Haben Sie es schon einmal versucht?«
»Ja.«
»Vor diesem Mal?«
Sie nickt.
»Aber nicht, bevor Josef mit der Torte kam?«
»Nein.«
»Was hat er gesagt?«
»Ich will nicht daran denken.«
»Woran? An das, was er gesagt hat?«
Evelyn setzt sich gerade hin, und ihr Mund wird schmaler.
»Ich erinnere mich nicht«, sagt sie fast lautlos. »Es war sicher nichts Wichtiges.«
»Sie wollten sich erschießen, Evelyn«, erinnert Joona sie.
Sie steht auf, geht zum Fenster, schaltet den Kerzenständer aus und wieder an, kehrt zu ihrem Stuhl zurück, setzt sich und verschränkt die Arme vor dem Bauch.
»Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
»Wollen Sie das? Ist es wirklich das, was Sie wollen?«
Sie nickt, ohne ihn anzusehen.
»Möchten Sie eine Pause machen?«, erkundigt sich ihr Beistand.
»Ich weiß nicht, was mit Josef los ist«, sagt Evelyn leise. »In seinem Kopf stimmt etwas nicht. Das ist schon immer … als er klein war, da schlug er zu, aber zu hart, zu gefährlich. Er hat alle meine Sachen kaputt gemacht, ich durfte nichts haben.«
Ihr Mund zittert.
»Als er acht war, hat er mich gefragt, ob ich seine Freundin sein möchte. Das klingt jetzt vielleicht halb so wild, aber für mich war es das, ich wollte nicht, aber er hat von mir verlangt, dass wir uns küssen … ich hatte Angst vor ihm, er machte seltsame Dinge, schlich sich nachts zu mir ins Zimmer und biss mich so fest, dass ich blutete. Ich begann zurückzuschlagen, denn damals war ich noch stärker als er.«
Sie wischt Tränen von ihren Wangen.
»Also stürzte er sich stattdessen auf Buster, meinen Hund, wenn ich nicht tat, was er sagte … Es wurde immer schlimmer, er wollte meine Brüste sehen, er wollte mit mir baden … Er hat meinen Hund getötet und ihn von einer Straßenbrücke geworfen.«
Sie steht auf und geht rastlos
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