Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
verlief.«
»Ja?«
Åhlén atmet hörbar aus.
»Nun ist es aber so, dass man die Gebärmutter immer quer aufschneidet, auch wenn der Schnitt durch die Bauchdecke vertikal erfolgt.«
»Aber das wusste Josef nicht?«, fragt Joona.
»Nein«, bestätigt Åhlén. »Er hat nur den Bauch geöffnet, ohne zu wissen, dass ein Kaiserschnitt immer aus zwei Eingriffen besteht, einem Schnitt durch die Bauchdecke und einem Gebärmutterschnitt.«
»Gibt es noch etwas, was ich vorab wissen sollte?«
»Vielleicht, dass er sich ungewöhnlich lange an den Körpern abgearbeitet hat, dass er nicht aufgehört hat. Obwohl er immer müder wird, bekommt er nie genug, seine Wut ebbt nicht ab.«
Es wird still zwischen ihnen. Joona geht den Strandvägen hinab. Er muss an die letzte Vernehmung Evelyns denken.
»Ich wollte nur das mit dem Kaiserschnitt bestätigen«, sagt Åhlén einen Moment später. »Die Schnittwunde wurde dem Opfer etwa zwei Stunden nach Eintritt des Todes zugefügt.«
»Danke«, sagt Joona.
»Du hast den ganzen Obduktionsbericht morgen auf dem Tisch.«
Nachdem Joona die Verbindung beendet hat, denkt er darüber nach, wie schrecklich es gewesen sein muss, in Josef Eks Nähe aufzuwachsen. Wie wehrlos sich Evelyn gefühlt haben muss, ganz zu schweigen von ihrer kleinen Schwester.
Joona versucht sich zu erinnern, was Evelyn über den Kaiserschnitt ihrer Mutter gesagt hat.
Er denkt daran, wie Evelyn im Vernehmungszimmer zu Boden sank und an der Wand saß, während sie von Josefs krankhafter Eifersucht auf die kleine Schwester erzählte.
»In Josefs Kopf stimmt etwas nicht«, flüsterte sie. »Das ist schon immer so gewesen. Ich weiß noch, wie es war, als er geboren wurde. Mama ging es furchtbar schlecht, ich weiß nicht warum, aber sie mussten einen Notkaiserschnitt machen.«
Evelyn hatte den Kopf geschüttelt und die Lippen eingesogen, ehe sie weitersprach:
»Wissen Sie, was ein Notkaiserschnitt ist?«
»Ja, in etwa«, antwortete Joona.
»Manchmal … manchmal kommt es zu Komplikationen, wenn man so ein Kind bekommt.«
Evelyn warf ihm einen scheuen Blick zu.
»Meinen Sie Sauerstoffmangel und so?«, fragte Joona.
Sie schüttelte den Kopf und strich die Tränen von ihren Wangen.
»Ich meine psychische Probleme bei meiner Mutter. Eine Frau, die eine schwere Entbindung hat und plötzlich betäubt wird, um aufgeschnitten zu werden, kann später Probleme haben, eine Bindung zu ihrem Kind zu entwickeln.«
»Ihre Mutter bekam eine Wochenbettdepression?«
»Auch das nicht«, hatte Evelyn mit schwerer, belegter Stimme geantwortet. »Als meine Mutter Josef zur Welt brachte, erkrankte sie an einer Psychose. Im Krankenhaus haben sie das nicht kapiert und sie mit Josef nach Hause geschickt, aber ich habe es sofort gemerkt. Alles lief schief. Ich musste mich um Josef kümmern. Ich war erst acht, aber sie beachtete ihn nicht, berührte ihn nicht, lag nur im Bett und weinte, weinte, weinte.«
Evelyn sah Joona an und flüsterte:
»Mama sagte, er sei nicht ihr Kind, ihr Kind sei gestorben, und am Ende musste sie eingeliefert werden.«
Evelyn lächelte schief vor sich hin.
»Ungefähr ein Jahr später kam Mama zurück. Sie tat so, als wäre alles wieder normal, aber im Grunde lehnte sie ihn weiter ab.«
»Heißt das, Sie glauben nicht, dass Ihre Mutter wieder gesund wurde?«, fragte Joona vorsichtig.
»Sie wurde gesund, denn als sie Lisa bekam, war alles anders. Mama war so glücklich über sie, tat alles für sie.«
»Und Sie mussten sich um Josef kümmern.«
»Er sagte, meine Mutter hätte ihn richtig auf die Welt bringen müssen. Für ihn war das die Erklärung für jede Ungerechtigkeit, dass Lisa ›in der Fotze‹ geboren wurde und er nicht. Immer wieder hat er das gesagt. Mama hätte ihn in ihrer Fotze gebären müssen und nicht nur …«
Evelyns Stimme erstarb. Sie wandte das Gesicht ab, und Joona sah ihre hochgezogenen, angespannten Schultern, wagte es aber nicht, die junge Frau zu berühren.
20.
Freitagabend, der elfte Dezember
Als Joona die Intensivstation des Karolinska-Krankenhauses betritt, ist es ausnahmsweise nicht vollkommen still. Auf der ganzen Station riecht es nach Essen, und ein Wagen mit Kochtöpfen aus rostfreiem Stahl, Tellern, Gläsern und Besteck steht vor dem Aufenthaltsraum. Darin hat jemand den Fernseher eingeschaltet, und Joona hört das Klirren von Porzellan.
Er denkt daran, dass Josef die alte Kaierschnittnarbe auf dem Bauch seiner Mutter
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