Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Einsatzgruppe um sich. Sie lauschen seinen kurzen Anweisungen und verschwinden gemeinsam durch die Tür zum Keller. Die Metalltreppe dröhnt unter ihrem Gewicht.
Kennet hat die Arme um Simone geschlungen. Sie hat solche Angst, dass sie am ganzen Körper zittert. Er flüstert ihr zu, dass alles gut gehen wird. Simone will bloß die Stimme ihres Sohnes aus dem Keller hören, sie bittet flehentlich darum, jetzt, jeden Moment seine Stimme hören zu dürfen.
Kurz drauf kehrt Joona mit der Schutzweste in der Hand zurück.
»Er ist uns entkommen«, sagt er zugeknöpft.
»Und Benjamin, wo ist Benjamin?«, fragt Simone.
»Nicht hier«, antwortet Joona.
»Aber der Raum …«
Simone geht zur Treppe, Kennet versucht, sie zurückzuhalten, aber sie reißt sich los, zwängt sich an Joona vorbei und eilt die Eisentreppe hinunter. Jetzt ist der Keller hell wie ein Hochsommertag. Drei Scheinwerfer auf Ständern füllen den Raum mit Licht. Die Leiter steht nun unter dem kleinen, inzwischen offenen Kellerfenster. Der Schrank mit den Schwimmwesten ist zur Seite geschoben worden, und ein Polizist bewacht die Türöffnung zu dem versteckten Raum. Langsam geht Simone auf ihn zu. Sie hört Kennet hinter ihrem Rücken etwas sagen, versteht die Worte aber nicht.
»Ich muss«, sagt sie schwach.
Der Polizist hebt abwehrend die Hand und schüttelt den Kopf.
»Ich kann Sie da leider nicht hineinlassen«, sagt er.
»Aber es geht um meinen Sohn.«
Sie spürt die Arme ihres Vaters um sich, versucht aber trotzdem, sich zu befreien.
»Er ist nicht hier, Simone.«
»Lass mich los!«
Sie tritt vor und blickt in einen Raum mit einer Matratze auf dem Fußboden, Stapeln alter Comics, leeren Chipstüten, hellblauen Schuhschützern, Konserven und Cornflakespaketen und einer großen, glänzenden Axt.
28.
Sonntagnachmittag, der dreizehnte Dezember,
Luciafest
Simone sitzt auf dem Rückweg von Tumba im Wagen und hört Kennet über die mangelhafte Organisation der Polizei schwadronieren. Sie sagt nichts, lässt ihn meckern, schaut aus dem Autofenster und beobachtet die zahlreichen Familien auf den Straßen. Mütter sind mit kleinen Kindern in Schneeanzügen, die mit Schnullern im Mund sprechen, irgendwohin unterwegs. Ein paar Kinder versuchen, im Schneematsch mit Tretrollern vorwärtszukommen. Alle haben die gleichen Rucksäcke an. Eine Mädchenclique mit Luciaglitzerschmuck in den Haaren isst etwas aus einer Tüte und lacht begeistert.
Mittlerweile sind bereits mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen, seit man uns Benjamin weggenommen hat, seit er aus seinem Bett gezerrt und aus seinem Zuhause verschleppt worden ist, denkt sie und betrachtet ihre Hände im Schoß. Die roten Furchen von den Handschellen sind noch deutlich zu erkennen.
Nichts deutet darauf hin, dass Josef Ek in Benjamins Verschwinden verwickelt ist. Es hat keine Spuren von Benjamin in dem verborgenen Zimmer gegeben, nur von Josef. Als sie mit ihrem Vater in den Keller gegangen ist, hat Josef höchstwahrscheinlich in dem verborgenen Zimmer gehockt.
Simone überlegt, dass er sich zusammengekauert und gelauscht und daraufhin erkannt haben muss, dass sie sein Versteck gefunden hatten, um sich daraufhin möglichst lautlos nach der Axt zu strecken. Als dann das Chaos ausbrach, die Polizisten den Keller stürmten und sie und Kennet nach oben zerrten, nutzte Josef die Gelegenheit, schob den Schrank weg, stellte die Leiter ans Kellerfenster und kletterte hinaus.
Er hat die Polizei übertölpelt und ist immer noch auf freiem Fuß. Die landesweite Fahndung läuft, aber Josef Ek kann Benjamin nicht gekidnappt haben. Seine Flucht und Benjamins Entführung sind nur zwei Dinge gewesen, die ungefähr zur gleichen Zeit passiert sind, genau wie Erik es ihr zu sagen versucht hat.
»Kommst du?«, fragt Kennet.
Sie blickt auf und denkt, dass es kalt geworden ist. Kennet sagt ihr mehrmals hintereinander, dass sie aus dem Wagen steigen und mitkommen soll, ehe sie begreift, dass sie in der Luntmakargatan geparkt haben.
Sie schließt die Wohnungstür auf und sieht Benjamins Jacke im Flur hängen. Ihr Herz macht einen Satz, und ihr schießt durch den Kopf, dass er zu Hause ist, bis ihr wieder einfällt, dass er im Schlafanzug entführt worden ist.
Das Gesicht ihres Vaters ist ganz grau. Er sagt, dass er duschen will, und verschwindet im Badezimmer.
Simone lehnt sich an die Wand im Flur, schließt die Augen und denkt: Wenn ich Benjamin zurückbekomme, werde ich alles
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