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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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bringen, und da habe ich denn immer auf ihn gewartet. Er hat mir
nämlich ein Angebot gemacht: er fing mit achtzehntausend an; dann
sprang er plötzlich auf vierzigtausend, und nun sind hier
hunderttausend. Er hat Wort gehalten! O weh, wie blaß er aussieht ...!
Das passierte heute alles in Ganjas Wohnung; ich war hingekommen, um
seine Mama zu besuchen; zu meiner künftigen Familie war ich gekommen,
und da schrie mir seine Schwester ins Gesicht: ›Schafft denn niemand
dieses schamlose Weib hinaus?‹ – und ihrem Bruder Ganja spie sie ins
Gesicht. Ein energisches Mädchen!«
    »Nastasja Filippowna!« rief der General vorwurfsvoll.
    Er begann die Sache ein wenig zu verstehen, wenigstens auf seine Art.
    »Was haben Sie denn, General? Das ist wohl unschicklich, nicht wahr?
Wenn ich im Französischen Theater in meiner Loge wie eine unberührbare
Tugend aus der Beletage gesessen und alle, die in diesen fünf Jahren
hinter mir her waren, wie menschenscheu gemieden und mir das Aussehen
einer stolzen Unschuld gegeben habe, so hat mich zu diesem ganzen
Benehmen nur meine Dummheit gebracht! Da ist nun dieser Mensch nach den
fünf Jahren der Unschuld in Ihrer Gegenwart hergekommen und hat
hunderttausend Rubel auf den Tisch gelegt, und gewiß stehen die Troiken
dieser Leute schon da und warten auf mich. Auf hunderttausend Rubel hat
er mich taxiert. Ganja, ich sehe, du bist auf mich immer noch böse?
Hast du mich denn wirklich in deine Familie einführen wollen? Mich,
Rogoschins Eigentum! Was hat der Fürst vorhin gesagt?«
    »Ich habe nicht gesagt, daß Sie Rogoschins Eigentum seien; das sind Sie auch nicht!« sagte der Fürst mit zitternder Stimme.
    »Nastasja Filippowna, laß es genug sein, meine liebe Freundin; laß
es genug sein, Täubchen!« mischte sich Darja Alexejewna ein, die sich
nicht länger beherrschen konnte. »Wenn sie dir alle so zuwider geworden
sind, was brauchst du dich denn um sie zu kümmern? Du wirst doch nicht
wirklich mit diesem Menschen davongehen wollen, und wenn er dir auch
hunderttausend Rubel bietet! Es ist ja richtig: hunderttausend Rubel,
das ist schon etwas! Nimm doch einfach die hunderttausend Rubel und
jage ihn weg; so muß man es mit ihnen machen. Ach, ich würde sie an
deiner Stelle alle ... was kann da weiter sein?«
    Darja Alexejewna war ordentlich zornig geworden. Sie war eine gutherzige und sehr teilnahmsvolle Frau.
    »Sei nicht ärgerlich, Darja Alexejewna«, erwiderte Nastasja
Filippowna lächelnd; »ich habe es ihm ja nicht im Zorn gesagt. Habe ich
ihm denn einen Vorwurf gemacht? Es ist mir auch ganz unbegreiflich, wie
ich habe auf den dummen Gedanken kommen können, in eine ehrenhafte
Familie einzutreten. Ich habe seine Mutter gesehen und ihr die Hand
geküßt. Und wenn ich dich heute bei dir zu Hause verhöhnt habe, Ganja,
so habe ich das absichtlich getan, um zum letztenmal zu sehen, wie weit
du wohl zu gehen imstande wärest. Nun, du hast mich in Erstaunen
versetzt, wahrhaftig. Ich hatte viel erwartet, aber das denn doch
nicht! Konntest du dich denn wirklich dazu verstehen, mich zur Frau zu
nehmen, obwohl du wußtest, daß der hier mir einen solchen Perlenschmuck
ganz kurz vor deiner Hochzeit schenkt und ich ihn annehme? Und
Rogoschin? Er hat ja in deiner Wohnung, in Gegenwart deiner Mutter und
deiner Schwester, mir ein Gebot gemacht, und du bist doch trotz alledem
hierhergekommen, um dich um meine Hand zu bewerben, und hättest beinah
deine Schwester mitgebracht! Hat Rogoschin denn wirklich recht gehabt,
als er von dir sagte, für drei Rubel würdest du auf allen vieren bis
zur Wasili-Insel kriechen?«
    »Er wird hinkriechen«, sagte Rogoschin plötzlich leise, aber im Tone festester Überzeugung.
    »Und wenn du noch nahe daran wärst, Hungers zu sterben! Aber du
beziehst ja, wie es heißt, ein gutes Gehalt! Und zu alledem, ganz
abgesehen von der Schande, wolltest du gar noch eine Frau, die du haßt,
in dein Haus führen! (Denn du haßt mich; das weiß ich!) Nein, jetzt
glaube ich, daß so ein Mensch für Geld einen Mord begeht! Es hat ja
jetzt alle diese Menschen eine solche Gier ergriffen, es zieht sie so
zum Gelde hin, daß sie wie Irrsinnige sind. So einer steht noch in ganz
jungen Jahren und geht schon unter die Wucherer! Er bringt es fertig,
Seide um ein Rasiermesser zu wickeln, so daß es feststeht, und sachte
von hinten einem Freund wie einem Hammel den Hals abzuschneiden, wie
ich das unlängst gelesen habe. Was bist du für ein schamloser Mensch!
Ich bin ja schamlos;

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