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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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heiraten? Du brauchst ja
selbst noch eine Wärterin!«
    Der Fürst stand auf und sagte mit zitternder, schüchterner Stimme, aber zugleich mit der Miene tiefster Überzeugung:
    »Ich weiß nichts von der Welt, Nastasja Filippowna; ich habe nichts
von der Welt gesehen; darin haben Sie recht; aber ich ... ich bin der
Ansicht, daß Sie mir eine Ehre erweisen und nicht ich Ihnen. Ich bin
ein Nichts; aber Sie haben gelitten und sind aus einer solchen Hölle
rein hervorgegangen, und das ist etwas Großes. Warum schämen Sie sich
also und wollen zu Rogoschin gehen? Das ist Fieber ... Sie haben Herrn
Tozki die fünfundsiebzigtausend Rubel zurückgegeben und sagen, daß Sie
auf alles, was hier ist, verzichten werden; dessen wäre keiner der hier
Anwesenden fähig. Ich ... ich liebe Sie, Nastasja Filippowna. Ich
sterbe für Sie. Ich werde nicht dulden, daß jemand über Sie ein
schlechtes Wort sagt. Wenn wir arm sein werden, so werde ich arbeiten,
Nastasja Filippowna ...«
    Bei den letzten Worten hörte man Ferdyschtschenko und Lebedjew
kichern, und selbst der General räusperte sich sehr mißvergnügt. Ptizyn
und Tozki konnten sich nicht enthalten zu lächeln, beherrschten sich
aber noch. Die übrigen rissen geradezu den Mund auf vor Verwunderung.
    »... Aber vielleicht werden wir nicht arm sein, sondern sehr reich,
Nastasja Filippowna«, fuhr der Fürst in demselben bescheidenen Ton
fort. »Ich weiß es übrigens nicht bestimmt und bedaure, daß ich den
ganzen Tag über bis jetzt darüber nichts habe erfahren können; aber ich
habe in der Schweiz einen Brief aus Moskau von einem Herrn Salaskin
erhalten, und er teilt mir mit, ich könne eine sehr große Erbschaft an
treten. Hier ist der Brief ...«
    Der Fürst zog wirklich einen Brief aus der Tasche.
    »Redet er denn irre?« murmelte der General. »Es ist ja hier das reine Narrenhaus!«
    Für einen Augenblick trat Stillschweigen ein.
    »Sie sagten ja wohl, Fürst, der Brief an Sie sei von Salaskin?«
fragte Ptizyn. »Das ist ein in seinen Kreisen sehr bekannter Mann, ein
bekannter Rechtsanwalt, und wenn er Ihnen das wirklich mitgeteilt hat,
so können Sie sich vollständig darauf verlassen. Zum Glück kenne ich
seine Handschrift, da ich erst kürzlich mit ihm geschäftlich zu tun
hatte ... Wenn Sie mir den Brief zur Einsicht geben wollten, so könnte
ich Ihnen vielleicht etwas darüber sagen.«
    Mit zitternder Hand reichte ihm der Fürst schweigend den Brief hin.
    »Ja, was hat denn das zu bedeuten? Was hat das zu bedeuten?« rief
der General erstaunt und blickte alle wie ein Halbirrer an. »Hat er
wirklich eine Erbschaft gemacht?«
    Alle richteten ihre Blicke auf Ptizyn, der den Brief las. Die
allgemeine Neugier hatte einen neuen außerordentlichen Anstoß erhalten.
Ferdyschtschenko war außerstande, auf seinem Platz sitzenzubleiben;
Rogoschin machte ein verständnisloses, furchtbar beunruhigtes Gesicht
und sah abwechselnd nach dem Fürsten und nach Ptizyn hin. Darja
Alexejewna saß in gespannter Erwartung wie auf Nadeln. Selbst Lebedjew
vermochte sich nicht zu beherrschen; er kam aus seiner Ecke hervor und
blickte, sich tief hinabbeugend, über Ptizyns Schulter in den Brief,
mit der Miene eines Menschen, der darauf gefaßt ist, im nächsten
Augenblick eine Ohrfeige zu erhalten.
Fußnoten
    1 Marlinski ist das Pseudonym des Schriftstellers Alexander Alexandrowitsch Bestuschew, 1797-1837. (A.d.Ü.)

XVI
    »Die Sache hat ihre Richtigkeit«, erklärte Ptizyn endlich, indem er
den Brief wieder zusammenfaltete und dem Fürsten zurückgab. »Sie werden
ohne alle Umstände auf Grund des unanfechtbaren Testaments Ihrer Tante
ein sehr beträchtliches Kapital erhalten.«
    »Es ist unmöglich!« rief der General unwillkürlich.
    Alle rissen wieder den Mund auf.
    Sich vorzugsweise an Iwan Fjodorowitsch wendend, setzte Ptizyn die
Sache folgendermaßen auseinander. Vor fünf Monaten sei eine Tante des
Fürsten gestorben, die er nie persönlich gekannt habe, eine ältere
Schwester seiner Mutter, die Tochter des Moskauer Kaufmanns dritter
Gilde Papuschin, der Bankrott gemacht habe und in größter Armut
gestorben sei. Aber der gleichfalls unlängst verstorbene ältere Bruder
dieses Papuschin sei ein bekannter, reicher Kaufmann gewesen. Vor einem
Jahr seien ihm fast in ein und demselben Monat seine beiden einzigen
Söhne gestorben. Das habe der alte Mann sich so zu Herzen genommen, daß
er bald darauf selbst erkrankt und gestorben sei. Er sei Witwer
gewesen, und es seien absolut keine andern

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