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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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sich heraus, daß das unmöglich ist; wenn
das aber unmöglich ist, warum will sie dann diese Sache hintertreiben?
Das ist das Rätsel! Um Jewgeni Pawlowitsch für sich zu behalten? Aber
ich wiederhole dir und bekreuze mich dabei, daß er mit ihr nicht
bekannt ist, und daß diese Wechsel pure Erfindung sind! Und mit welcher
Frechheit sie ihn über die Straße weg duzte! Das ist ja die reine
Tücke! Es ist klar, daß man diese Verleumdung verächtlich zurückweisen
und dem beleidigten Jewgeni Pawlowitsch mit verdoppelter Achtung
begegnen muß. Das habe ich auch zu Lisaweta Prokofjewna gesagt. Jetzt
will ich dir meinen allergeheimsten Gedanken mitteilen: ich bin fest
überzeugt, daß sie das getan hat, um sich an mir persönlich zu rächen,
du erinnerst dich wohl, wegen meiner früheren Beziehungen zu ihr,
wiewohl ich mir nie ihr gegenüber auch nur das geringste habe
zuschulden kommen lassen. Ich erröte bei der bloßen Erinnerung. Jetzt
ist sie nun wieder aufgetaucht; ich hatte schon gedacht, sie wäre für
immer verschwunden. Sag mal, bitte, wo steckt denn eigentlich dieser
Rogoschin? Ich dachte, sie wäre schon längst seine Frau.«
    Kurz, der Mann war mit seinem Denken völlig in Unordnung geraten.
Fast die ganze Stunde über, die die Fahrt dauerte, redete er allein,
warf Fragen auf, die er dann selbst beantwortete, drückte dem Fürsten
die Hand und überzeugte diesen wenigstens davon, daß er nicht daran
dachte, ihn irgendwie im Verdacht zu haben. Das war dem Fürsten
wichtig. Zuletzt erzählte er von Jewgeni Pawlowitschs Onkel, dem Chef
einer Ministerialabteilung in Petersburg; »er bekleidet ein hohes Amt,
ist siebzig Jahre alt, ein Lebemann, ein Gourmand und läßt sich trotz
seiner Jahre noch leicht verlocken. Haha! Ich weiß, daß er von Nastasja
Filippowna gehört und sich sogar um sie bemüht hat. Ich sprach vorhin
bei ihm vor; aber er empfängt nicht, er ist unpäßlich. Aber er ist
reich, schwerreich, besitzt großen Einfluß und ... Nun, Gott gebe ihm
Gesundheit und noch ein langes Leben; aber irgendeinmal fällt doch
alles Jewgeni Pawlowitsch zu ... Ja, ja ... aber doch ängstige ich
mich! Ich weiß nicht, wovor; aber ich ängstige mich ... Es ist, als ob
etwas in der Luft schwebte wie eine Fledermaus; es ist ein Unheil im
Anzug, und ich ängstige mich, ich ängstige mich ...!«
    Endlich, erst am dritten Tag, wie schon oben gesagt, erfolgte die
förmliche Aussöhnung der Familie Jepantschin mit dem Fürsten Ljow
Nikolajewitsch.

XII
    Es war sieben Uhr abends; der Fürst wollte eben in den Park gehen.
    Auf einmal kam Lisaweta Prokofjewna ganz allein zu ihm in die Veranda.
    »Erstens, bilde dir nicht ein«, begann sie, »daß ich gekommen wäre,
dich um Verzeihung zu bitten! Unsinn! Du allein trägst die ganze
Schuld.«
    Der Fürst schwieg.
    »Trägst du die Schuld?«
    »In demselben Maße wie Sie. Übrigens haben weder Sie noch ich in
irgendeiner Hinsicht uns absichtlich schuldig gemacht. Ich hielt mich
vorgestern für schuldig; aber jetzt bin ich doch anderer Ansicht
geworden und meine, daß dem nicht so ist.«
    »Also so denkst du darüber! Nun gut; höre zu und setze dich; denn ich beabsichtige nicht zu stehen.«
    Beide setzten sich.
    »Zweitens, kein Wort von den boshaften Burschen! Ich werde zehn
Minuten hierbleiben und mit dir reden; ich bin hergekommen, um dich
nach etwas zu fragen (du dachtest wohl schon, ich sei aus Gott weiß was
für einem Grund gekommen?), und wenn du der dreisten Burschen auch nur
mit einem Wort Erwähnung tust, so stehe ich auf und gehe weg und breche
jeden Verkehr mit dir ab.«
    »Gut«, antwortete der Fürst.
    »Gestatte die Frage: hast du vor zwei oder eineinhalb Monaten, um Ostern herum, an Aglaja einen Brief geschrieben?«
    »J-ja, das habe ich getan.«
    »Was hattest du dabei für eine Absicht? Was stand in dem Brief? Zeige mal den Brief her!«
    Lisaweta Prokofjewnas Augen blitzten; sie zitterte vor Ungeduld.
    »Den Brief habe ich nicht«, versetzte der Fürst sehr erstaunt und
sehr schüchtern. »Wenn er überhaupt noch existiert, muß ihn Aglaja
Iwanowna haben.«
    »Keine Ausflüchte! Was hast du ihr geschrieben?«
    »Ich mache keine Ausflüchte; ich habe keinen Grund, mich zu
fürchten. Ich sehe nicht ein, warum ich ihr nicht hätte schreiben
dürfen ...«
    »Schweig! Du kannst nachher reden. Was stand in dem Brief? Warum bist du so rot geworden?«
    Der Fürst überlegte ein Weilchen.
    »Ich kenne Ihre Gedanken nicht, Lisaweta Prokofjewna. Ich sehe nur,
daß

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